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Alt 14.05.2018, 09:33   #108  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 23

Erscheinungstermin: 12/1974

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 21
2) Tales to Astonish # 92

Story-Titel:
1) Wo der Käfer kurvt…!
2) Es geht wie ein Mensch!

Original-Storytitel:
1) Where flies the Beetle…!
2) It walks like a Man!

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Dan Adkins

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Diese Episode weist einen Schönheitsfehler auf: Williams-Lesern fehlen ein paar Voraussetzungen, um sie zu verstehen. Der Käfer ist ursprünglich als Gegner der menschlichen Fackel eingeführt worden, die damals ihre eigene Serie in dem Titel „Strange Tales“ hatte (wo auch „Dr. Strange“ erschien). Es wäre also gut gewesen, wenn man vor dieser Ausgabe „Strange Tales“ # 123 mit der Origin-Story des Käfer hätte lesen können. Aber soviel ich weiß, war auch in den HIT-Comics nie etwas aus „Strange Tales“ zu sehen. Warum hier die Spinne, die Fackel und der Käfer aufeinandertreffen, erschließt sich daher nur teilweise. Wer der Käfer ist und warum er sich an der Fackel rächen will, weiß man nicht. Allerdings ist die Story einfach genug gestrickt, daß man sie trotzdem verstehen kann.

Die Totemtier-Typen gehen mir allmählich auf die Nerven. Erst in der letzten Ausgabe hatten wir das Vergnügen mit dem Skorpion; in die gleiche Kategorie gehören der Geier, die Echse, in gewissem Sinn auch Dr. Octopus (der Tintenfisch). Ich kann durchaus nachvollziehen, daß man bei Marvel sagte: Der Käfer paßt doch hervorragend zur Spinne. Aber dieser Superschurke ist – wie auch schon der Skorpion – zu grotesk, um Spannung zu erzeugen oder gar Furcht zu erregen. Doch gilt nicht für die Spinne letztlich dasselbe? Da hat man freilich nicht zwanghaft versucht, irgendein Tier nachzuahmen. Es gibt zwar das Netz, das Wändeklettern und die Spinnensinne, aber vor allem ist die Spinne ein akrobatischer Held, vergleichbar mit Daredevil oder Captain America. Natürlich hat eine Figur wie der Käfer nicht die Entfaltungsmöglichkeiten, um über das Käfer-hafte hinaus Charaktereigenschaften zu entwickeln.

Davon abgesehen, ist die Ausgabe aber nicht so schlecht. Im Zentrum steht eigentlich ein Konflikt zwischen Spinne und Fackel, entzündet an einer Frauenaffäre. Johnny hat zu dieser Zeit eine Freundin namens Doris Evans, die hauptsächlich in „Strange Tales“ auftrat. Doris hat, wie auch Betty Brant, eine Abneigung gegen Superhelden und zwingt Johnny zu dem Versprechen, 24 Stunden lang nicht zu entflammen. Kurz darauf lernt sie durch Zufall Peter Parker kennen. Hier zeigt sich eine gewisse Vorliebe von Frauen für Langweiler. Peter imponiert Doris durch seine guten Manieren und seine Nettigkeit. Dadurch wird allerdings die Fackel eifersüchtig auf ihn. Nun muß wiederum Peter Betty erklären, warum ihn die Fackel wegen einer anderen Frau zur Rede gestellt hat. Also ein paar hübsche pubertäre Verwicklungen.

Peter will nun als Spinne mit Doris Evans Kontakt aufnehmen – nur um der Fackel eins auszuwischen. Der Käfer jedoch will seine Rache einleiten, indem er die Freundin der Fackel entführt. Daraus folgt das erste Zusammentreffen von Spinne und Käfer vor Doris‘ Wohnung. Der Kampf geht unentschieden aus, aber dem Käfer gelingt es, Doris in seine Gewalt zu bekommen. Vorher hat Doris Johnny angerufen und ihm um Hilfe angefleht. Aber der vermutet eine weibliche List und winkt ab: 24 Stunden darf er ja nicht zur Fackel werden. Kurz darauf entdeckt er aber die Entführung, und als erstes läuft ihm die Spinne über den Weg. Also beharken sich nun Spinne und Fackel. Als deutlich wird, daß der Käfer der Schuldige ist, stürzen sich beide auf ihn und nageln ihn fest (man verzeihe mir die Anspielung auf Käfersammlungen).

Tante May und Jonah Jameson haben in dieser Ausgabe nur Mini-Auftritte. Die Spinne resümiert am Ende in einem collagierten Bild mit den Köpfen ihrer Bezugspersonen ihre aktuellen Probleme. Sie stellt sich auf ein Hochhaus am Hafen, blickt melancholisch aufs Meer und denkt wieder einmal darüber nach, ob Probleme sich lösen würden, wenn sie ihre Geheimidentität aufgeben würde. Ein hypothetischer Gedanke, denn das wagt sie nicht zu tun.

Remo beglückt uns schon wieder mit einem Editorial. Als Kind hat mir besonders die Illustration gefallen: Giant-Man balanciert Remos Kopf auf seiner Handfläche (im Original sitzt da vermutlich die Wespe). Inhaltlich habe ich damals wenig mitgekriegt. Es geht um die Frage, ob der Superheld Thor, eigentlich der heidnisch-germanische Donnergott, mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren ist. Doch trotz vieler anscheinend tiefschürfender Worte sagt Remo dazu nicht mehr als: Ist doch nur Unterhaltung, Leute, aber jedenfalls gute Unterhaltung.

Es gibt auch wieder eine Leserbriefseite mit einer Fanzeichnung des Silberstürmers (wohl nach HIT-Comics-Vorlage gezeichnet) einem holprigen Jubelgedicht auf Marvel und einem fast absurden Text: „Marvel macht mutig! Stimmt, denn ich bin mit einem Marvel-Heft von einem Grashalm gesprungen.“ Oder hat sich da jemand zu sehr mit Ant-Man identifiziert? Noch ein Blick auf das Cover: Die Grafik hat hier die Spinne etwas vergrößert, wodurch die Zeichnung wirklich an Dramatik gewinnt. Allerdings hätte das rechte Bein der Spinne vollständig vor die Metallwand rechts im Bild gezeichnet gehört.
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