Thema: Filmklassiker
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Alt 23.03.2024, 06:31   #1966  
Peter L. Opmann
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Diesmal habe ich mich in ein Genre verirrt, mit dem ich recht wenig anfangen kann: das Filmmusical. „Ein Amerikaner in Paris“ (1951) von Vincente Minnelli habe ich nur deshalb aufgenommen, weil dies als eines der besten Filmmusicals aller Zeiten gilt. (Lieber hätte ich seinen Film „Stadt der Illusionen“ in meiner Sammlung, aber den konnte ich nie aufzeichnen.) Niemand bestreitet, daß die Handlung des Musicals ziemlich dünn ist und sich Musik (von George Gershwin) und Tanz völlig unterordnet. Wobei damit Gefühle der Liebe und des Verlusts sehr tiefgehend ausgelotet werden. Aber dabei bleibt alles – nach meinem Empfinden – doch ziemlich künstlich. Es ist letztlich eine Show, reine Unterhaltung, die nicht viel bedeuten soll. Gene Kelly tritt in dieser MGM-Produktion erstmals zusammen mit der sehr jungen Leslie Caron auf.

Kelly ist ein GI, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Kunstmaler in Paris hängengeblieben ist, von seiner Kunst kaum leben kann, aber von der Stadt hingerissen ist. Er lernt zuerst eine Amerikanerin kennen (Nina Foch), die seine Bilder schätzt und mit der er eine persönliche Beziehung aufbauen könnte, und dann Caron, ein geheimnisvolles junges Mädchen, in das er sich spontan verliebt. Sie weist ihn zunächst schroff ab, geht dann aber doch mehrmals mit ihm aus. Bei einem Maskenball eröffnet sie ihm jedoch, daß sie bereits am nächsten Tag einen anderen Mann heiraten wird, der sich während des Krieges um sie gekümmert hat und dem sie sich verpflichtet fühlt. Betroffen nehmen sie Abschied, anscheinend für immer, aber schließlich kehrt sie zu ihm zurück – ihr Verlobter hat sie freigegeben.

Auch wenn ich nicht alle Details der Story erzählt habe, hätte die Handlung kaum umfangreicher sein können, da sie immer wieder in längere Tanzszenen einmündet. Der Tanz zwischen der Trennung auf dem Maskenball und Carons Rückkehr, der einer Vision ähnelt, dauert 17 Minuten und wurde von Kelly selbst inszeniert, da Minnelli bereits mit dem nächsten Film beginnen mußte (MGM hatte zunächst Bedenken, daß das Publikum durch eine so lange Einlage überfordert sein könnte). Kellys kraftvoller Tanzstil wirkt noch heute attraktiv. Leslie Caron, die noch am Leben ist, ist ebenfalls ausgebildete Tänzerin. Die Verwandlung von Paris (das in dem Film auch sonst eher eine Kulissenstadt ist) in eine Szenerie reiner Fantasie hat durchaus ihren Reiz. Mehrmals werden berühmte Bilder großer französischer Maler des 19. Jahrhunderts (Toulouse-Lautrec, Dufy, Rousseau) zitiert. Es gibt offenbar auch eine ausgeklügelte Farbdramaturgie. Aber man muß so etwas eben mögen.

Ich habe mal wieder nachgesehen, was die katholische Filmkritik 1951 zu dem Musical sagte. „Auch in der Liebesgeschichte und ihrer Darstellung mustergültig.“ Zu dieser Zeit war ein Film also offenbar in erster Linie dann gut, wenn er nicht anstößig war. 1993 wurde „Ein Amerikaner in Paris“ als kulturell, historisch oder ästhetisch signifikant in die National Film Registry aufgenommen.
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