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Alt 11.01.2017, 11:58   #3574  
Peter L. Opmann
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Man muß sich bewußt machen, daß dies im Original die # 49 ist. Damals war # 50 eine große Jubiläumsausgabe (das erste richtige Jubiläum), und wir stehen jetzt also unmittelbar davor. Stan Lee kriegt das aber nicht richtig hin – die entscheidende Konfrontation mit Galactus passiert jetzt, und die # 50 ist ein Gemischtwarenladen mit dem Abzug von Galactus, dem Beginn des Erdendaseins des Silberstürmers, dem ersten Auftritt des verkannten Wissenschaftlers, der in # 51 (Williams # 47) im Mittelpunkt stehen wird, und Johnny Storms Debüt am Metro College, an dem er sich eingeschrieben hat. Was Lee gut beherrscht, ist die Verschränkung unterschiedlicher Handlungsfäden, so daß ein quasi endloser Erzählfluß entsteht. Aber den Spannungs-Höhepunkt hat er vielleicht an die falsche Stelle gelegt – vermutlich weil er sich beim Schreiben von # 49 noch nicht ausreichend darüber im Klaren war, was in # 50 passieren wird.

Galactus stellt den Beobachter zur Rede, weil der sich eingemischt hat. Die Menschen – auch das Superheldenquartett – nimmt er dabei bestenfalls wie lästige Insekten wahr. Die Angriffe der FV prallen hilflos an ihm ab. Galactus und Beobachter entfernen sich, um sich weiter zu unterreden; die FV merken, daß sie nichts tun können. Szenenwechsel: Der Silberstürmer war in der vorherigen Ausgabe von Ding vom Dach gefegt worden; er landet jetzt ausgerechnet bei der blinden Alicia. Zwei einander völlig fremde Wesen versuchen, sich gegenseitig zu verstehen. Inzwischen hat Galactus begonnen, einen „Elementarkonverter“ zusammenzuschrauben, den er braucht, um die Erde verspeisen zu können. Der Beobachter empfiehlt den FV derweil einen Abwehrapparat. Zurück zu Alicia und dem Silberstürmer: Sie macht ihm klar, daß jeder Mensch ein Lebensrecht hat – er empfindet erstmals Mitleid.

Reed und Ding haben inzwischen einen Kurzschluß im Elementarkonverter hervorgerufen. Dank des Überraschungsmoments kann Ding zudem Galactus ebenso vom Dach knocken wie zuvor den Silberstürmer. Damit machen sie ihn aber nur ärgerlich – er ruft den „Bestrafer“. Nun schickt der Beobachter die Fackel auf einen Flug durch den Weltraum (das ist Fantasy, keinesfalls Science Fiction) – zum Heimatschiff von Galactus. Vor dem Bestrafer können sich Reed und Ding gerade noch unter Sues Kraftfeld in Sicherheit bringen. Galactus können sie so von seinem weiteren Vorgehen allerdings nicht mehr abbringen. Nochmal zurück zum Silberstürmer: Er zweifelt erstmals an seiner Loyalität zu Galactus, hält es nicht mehr für in Ordnung, daß die ganze Menschheit seinem Energiehunger geopfert wird. Er wendet sich gegen seinen Herrn. Der Beobachter sieht – ganz zum Schluß – darin allerdings eine Gefahr für den Plan, den er selbst sich zurechtgelegt hat.

Schön, den Cliffhanger hat Lee damit ganz schön hochgereizt. Von daher ist am Spannungsaufbau nichts weiter auszusetzen. Ich weiß allerdings bereits, daß in FV # 46 (= US-FF # 50) nur noch zehn Seiten benötigt werden, bis Galactus entnervt und unverrichteter Dinge wieder abziehen wird. Mehr dazu nächstes Mal. Ich hatte, speziell jetzt beim Wiederlesen von „Ist dies der Jüngste Tag?“ den Eindruck, daß die Story insgesamt mitunter hart an unfreiwilliger Komik vorbeischrammt. Einerseits ist es schwer vorstellbar, daß einer wie Galactus wirklich die Energie des gesamten Planeten absorbieren kann. Er ist zwar ein Riese, aber im Vergleich zur Erde ebenso ein Winzling wie jeder Mensch. Andererseits wirkt er, trotz aller Versuche, ihn unbegreiflich erscheinen zu lassen, letztlich doch allzu menschlich. Seine Souveränität läßt er schnell fallen. Er ist relativ leicht aus dem Konzept zu bringen und reagiert darauf ziemlich engstirnig und unbeherrscht. Man muß freilich bedenken, daß eine Figur wie er damals noch absolut neu war (ob es bei DC Ähnliches gab, weiß ich allerdings nicht mit Bestimmtheit). Er wird also überzeugender gewirkt haben als heute.

Wenn ich Galactus als wenig überzeugend kritisiere, trifft das auch die Grafik von Jack Kirby und Joe Sinnott. Man kann aber sagen, daß sie ihr Bestes tun. Bizarre Wesen aus dem All mit höchst komplizierten Maschinen im Koffer sind Kirbys Spezialität, und hier haben wir eines der Musterbeispiele dafür, wie er das visualisiert. Es ist allerdings gut, daß die Techno-Gigantomanie immer wieder durch Szenen mit den FV oder mit Alicia unterbrochen wird, denn sonst käme es wohl zum grafischen Overkill – so etwas ist in späteren Serien wie etwa „New Gods“ oder „Captain Victory“ zu besichtigen, wo sich solche Ansichten dann rasch abnutzen. Das Cover ist zweifellos ein Klassiker, aber ich finde doch das eine oder andere zu bemäkeln. Nur hier schießen Galactus Strahlen aus den Fingern. Nur hier fliehen die FV vor Galactus. Und den Silberstürmer finde ich auch etwas unmotiviert ins Bild montiert. Trotzdem ziert diese Bild zweifellos zu Recht das Cover des Hachette-Classic-Fantastic-Four-Bandes.

(Zu viel Sprechblasentext und zu schwülstige Dialoge haben mich bei dieser Ausgabe nicht besonders gestört - beides kommt bei Marvel schon mal vor...)

Noch 'ne Anmerkung: Michi Diers gibt als US-Vorlage Fantastic Four # 48 an - ich habe die Ausgabe zwar nicht, bin mir aber doch ziemlich sicher, daß es die # 49 ist.

Geändert von Peter L. Opmann (11.01.2017 um 16:55 Uhr)
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