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Alt 25.08.2021, 14:25   #236  
God_W.
Captain Rezi
 
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Conan der Barbar – Classic Collection 4



Die Comics sind aus den 70er Jahren, die Originalgeschichten von Howard schon aus den Dreißigern, von daher werde ich jetzt mal keine Spoiler-Tags setzen, auch wenn ich das ein oder andere aus dem Storyverlauf verrate, soviel nur mal vorab.

Der vierte Band der Classic Collection zum berühmtesten Barbaren der Popkultur markiert gleich aus mehreren Gründen einen Wendepunkt in der langen Geschichte der Nemedischen Chroniken. Zum einen steht mit Heft #100 ein großes Jubiläum an, mit Heft #115 wird gar das zehnjährige Bestehen der Reihe gefeiert, dieses Heft soll gleichzeitig für lange Zeit das Letzte von Autor Roy Thomas verfasste Abenteuer des großen Kriegers sein und um nochmal auf die #100 zurückzukommen, da wird endlich einer meiner kleinen Kritikpunkte an Band drei der Classic Collection ausgemerzt.

Ja, ich gebe es zu, ich war froh als Bêlit, die Königin der schwarzen Küste endlich das zeitliche segnete, denn für meinen Geschmack war sie viel zu lange zentraler Teil der Story, wo sie doch in Howards Gesamtwerk nur einen vergleichsweise kurzen Auftritt hat. Klar, das war insgesamt nicht schlecht gemacht und auch die Vorgeschichte, die Roy Thomas für sie ausgekleidet hat machte was her, dennoch hätte man das alles viel schneller abfrühstücken sollen, statt ein Epos über mehr als 40 Hefte draus zu stricken. So war ich auch ganz froh, dass die ersten Hefte dieser vierten Omnibus-Ausgabe durch Bêlits Abwesenheit glänzten.

Also nicht gänzlich, aber zumindest sind Conan und Bêlit da noch getrennt unterwegs und der Fokus liegt selbstverständlich auf dem Cimmerier. Der trifft dann direkt einen neuen Weggefährten, der uns eine Weile erhalten bleiben soll. Die Rede ist von Zula, dem Letzten seines Volkes, seines Zeichens sowohl Krieger als auch Magier/Hypnotiseur und ein toller Charakter, der mir beim Lesen richtig Freude bereitet hat! Da sieht man mal, dass es nicht zwingend eine Vorlage von Meister Howard persönlich benötigt, um einen stimmigen und interessanten Sidekick in das Hyborische Zeitalter zu integrieren. Scheinbar erfreute sich Zula auch damals schon großer Beliebtheit, wenn man den Leserbriefen glauben darf und so ist es nicht verwunderlich, dass Roy die Figur später auch in das von ihm verfasste Drehbuch zu Conan der Zerstörer integriert hat. Okay, die magischen Fähigkeiten wurden außen vor gelassen und das Geschlecht gewechselt, aber seien wir mal ehrlich, Grace Jones war einfach perfekt auf der Leinwand!

Auf jeden Fall waren Conans und Zulas Abenteuer in den Comics stets spannend, abenteuerlich und unterhaltsam, außerdem hat John Buscema häufig in die Trickkiste gegriffen und zum Beispiel das „Howardsche Ägypten“ eindrucksvoll zum Leben erweckt. Nach einer kurzen Abhandlung über das Hyboriusche Zeitalter wird das Trio bestehend aus Conan, Bêlit und Zula endlich vereint und kann sich zu großen Taten aufmachen, immerhin will Bêlits rechtmäßiger Thron zurückerobert werden, Zulas Rache an den Vernichtern seines Volkes steht noch aus, und schließlich geht es ja auch schon bald auf Heft #100 zu, in welchem wir mit dem Ableben der Königin der schwarzen Küste endlich wieder zu Howards Vorlage zurückkehren, aber zuvor war noch Zeit für einige faszinierende Abenteuer, aus denen für mich die Sirenenstory in Heft # 98 nochmal deutlich heraussticht – Schauriges Seemannsgarn vom Feinsten!

Da Zula überleben soll, war er ja nicht Teil von Howards Originalgeschichte und soll vielleicht später noch weitere Abenteuer erleben, verlässt er das Schiff, bevor der Rest der Truppe den finsteren Fluss hinauffährt, sozusagen dem Schicksal entgegen. Das Finale der Storybogens ist dann doch wieder vergleichsweise dicht an der Vorlage, auch wenn Roy Thomas einige kleine Anpassungen vornehmen musste, gerade was Bêlits Motivation anbelangt, denn ihren Charakter hatte er in den vergangenen 40 Heften dann doch deutlich abweichend von Howards Original weiterentwickelt. Dennoch, ein für mich runder Abschluss an dessen Ende Conan erstmal alleine und selbstverständlich trübsinnig da steht.

Zula anderweitig unterwegs, Amras schwarzer Löwe auf dem Weg zum letzten Bêlit-Abenteuer dahingeschieden, die Königin der schwarzen Küste für immer verloren. Aber hey, Barbaren sind von Natur aus Einzelgänger und so macht sich der Hüne auf, neuen Abenteuern entgegen. Kämpfe gegen allerlei Monster und Gefahren führen schließlich dazu, dass er sogar einige Zeit Häuptling eines Eingeborenenstammes wird, inklusive Stammesfehden, Politik und allem drum und dran. Nach Schlachten gegen Vampire und schleimige Tentakelwesen gibt er jedoch irgendwann das Stammesleben auf und zieht erneut weiter.

Mal wieder als Söldner unterwegs trifft er später, nach angemessener Trauerphase, erneut auf die holde Weiblichkeit, und schließt sowohl neue Bekanntschaften, frischt aber auch alte wieder auf. Kleine Zwerge, mächtige Bären, gefährliche Dämonen und Zauberer sowie ein im Grunde gutherziger Bandit begleiten ihn auf Strecken seines Weges, wobei sich eher actionorientierte Monster of the Week Hefte mit erzählerischen kleinen Juwelen voller Dramatik die Wage halten, eine prima Mischung, die nie Langeweile aufkommen lässt.

In den King Size Heften am Ende bekommen wir mal wieder Einblick in einen späteren Lebensabschnitt Conans, eine Zeit als Kriegsherr, König und schließlich sogar – Ehemann! Doch auch auf dem Weg zu diesen, vielleicht gefährlichsten aller Abenteuer, gilt es reichlich Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Kämpfe zu bestehen. Lasst Euch überraschen. Apropos, wie es kommt, dass es Conan zu einem kurzen Stelldichein ins New York Ende der 70er Jahre verschlägt ist auch äußerst… äh… überraschend.

Schwupps, sind wir schon am Ende des vierten Bandes der Classic Collection um den Barbaren angelangt und für mich war es die beste Strecke, die ich mit dem Marvel-Barbaren bestreiten durfte. Unmengen gute Geschichten, schöner roter Faden, der sich wie ein Abenteuer aus einem Guss anfühlt, sowohl Zeichner Buscema als auch Autor Thomas scheinen hier so etwas wie eine Hochphase gehabt zu haben, für Roy stellt der Band ja auch gleichzeitig einen Abschied dar, denn der verließ Marvel kurz darauf und kam erst viele Jahre später zurück. Das weiß ich sicher, wurde es im Bonusmaterial doch bestimmt viermal angesprochen. Einer meiner kleinen Kritikpunkte, denn wenn ich zu so einem fetten Sammelband ein Umfassendes Vorwort des Autors abdrucke, dann muss ich im Anhang nicht noch mehrfach Vorworte der gleichen Person zu anderen Veröffentlichungen des gleichen Stoffes bringen, die die gleichen Informationen in leicht geändertem Satzbau enthalten, das ist dann schon ermüdend.

Sehr gut gefallen haben mir allerdings wieder die Leserbriefe, die im englischen Original belassen wurden, sich aber im Grunde sehr einfach lesen lassen. Die sind oft interessant, manchmal witzig, manchmal kritisch, ab und an sogar informativ. Herausgestochen und im Gedächtnis geblieben ist mir da vor allem der Beitrag eines offensichtlich afroamerikanischen Fans, der sich zum einen natürlich über die Figur des Zula gefreut hat, Roy Thomas aber auch als Autor lobt, weil er es schafft bei dieser Neuinterpretation der Howard-Stories dessen doch recht rassistische Grundhaltung, die in einigen Geschichten auch deutlich nach außen tritt, zu umschiffen, ohne den Ton der Erzählung zu verfälschen. Bemerkenswert fand ich vor allem die sehr differenzierte Sichtweise des guten Mannes, der selbst auch großer Fan der Originalgeschichten von Howard ist, und meint, man müsse das halt ein wenig ausblenden und auch im zeitlichen Kontext sehen, wann die Conan-Geschichten wo geschrieben wurden, denn im Texas der 20er und 30er Jahre war das nun mal eine „normale“ Grundhaltung, also gang und gäbe und nicht speziell böswillig. Wenn ich sowas von einem offensichtlich intelligenten Comicfan der 70er Jahre lese bestärkt mich das doch enorm in dem Glauben, dass es falsch ist Kulturgut im Nachhinein zu ändern, umzuschreiben usw. nur, weil es dem heutigen, aufgeklärteren Zeitgeist nicht mehr entspricht. Die Leser sind nicht dumm und können durchaus differenzieren, also liebe Verleger: Schreibt gerne eine Einleitung mit Erklärungen weshalb etwas nicht mehr angemessen ist und dergleichen, aber lasst die Werke selbst doch bitte unangetastet.

8,5/10

Mal schauen, ob ich als nächstes wieder einen Franko-Belgischen Conan nebst Howards Originalgeschichte, oder den zweiten Savage Sword Omnibus zur Hand nehme, da bin ich noch unentschlossen.

VG, God_W.
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