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Alt 03.02.2019, 19:31   #498  
Peter L. Opmann
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Danke für die Anmerkung.

Spinne (Williams) 113

Erscheinungstermin: 6/1978

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 112
2) Mighty Thor # 138

Story-Titel:
1) Die Spinne steigt aus!
2) Die Flammen des Kampfes!

Original-Storytitel:
1) Spidey cops out!
2) The Flames of Battle!

Zeichnungen:
1) John Romita
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Gerry Conway
2) Stan Lee



Ist diese Episode der Auftakt eines Vierteilers mit Dr. Octopus, oder ist es eine Überbrückung bis zum Start der nächsten Konfrontation mit Doc Ock? Schwer zu sagen. Die Story entspricht in ihrer Art den Einleitungen, die Stan Lee für Mehrteiler zu schreiben pflegte: Erstmal gibt es viel Privatleben von Peter Parker zu verfolgen; spät erst taucht der nächste Superschurke auf und bringt der Spinne erstmal eine Niederlage bei, was zu einem spannenden Cliffhanger führt. Gerry Conway treibt diese Machart hier auf die Spitze. Erst ganz am Ende tritt der Superschurke überhaupt auf. Vorher wird die Gibbon-Story abgeschlossen, hat Peter Parker wieder mal Ärger mit Jonah Jameson und sucht die Spinne erneut nach der verschwundenen Tante May. Außerdem werden wir Zeuge eines weiteren Gesprächs von Gwen und Flash.

Es war bei dieser Ausgabe gewiß schwer, ein gutes Covermotiv zu finden. Also wird ein bißchen gemogelt, was bei Marvel sonst selten vorkommt. Das Cover suggeriert, Peter wolle das Spinnenkostüm wieder mal an den Nagel hängen. Es ist hier aber anders als in „Spinne“ # 51 oder 88 – er überlegt sich nur, daß er seine Zeit lieber der Suche nach Tante May widmen will als für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Redaktion trägt dem Rechnung, indem sie auf dem Cover den US-Titel „Die Spinne steigt aus“ in eine Frage umwandelt: „Steigt die Spinne aus?“ Ehrlicherweise muß man darauf mit „I wo“ antworten.

John Romita zeichnet nun wieder nicht mehr so meisterhaft wie im Gibbon-Zweiteiler, wenngleich ich mich scheuen würde, für sein Artwork Noten zu vergeben. Die Zeichnungen sind immer noch sehr gut; ich bewerte das eher aus dem Bauch heraus. Hier wird er beim Inken nun wieder von Tony Mortellaro unterstützt, der sich vermutlich um die Hintergründe gekümmert hat. Trotzdem hatte Romita wohl nicht so viel Zeit wie in den beiden vorangegangenen Monaten – oder er hatte weniger Lust.

Schauen wir uns den Inhalt etwas näher an. Zu Beginn liefert die Spinne den verletzten Gibbon im Krankenhaus ab, das heißt, sie legt ihn in einem Krankenzimmer einfach ins Bett und bittet eine Krankenschwester, das Gibbon-Kostüm zu verbrennen. Dann nimmt sie wieder die Suche nach Tante May auf und erinnert sich an einiges, was sie mit ihr erlebt hat. Jetzt kommt die titelgebende Sequenz: Als sie beim Durchstreifen von New York auf Gangsteraktivitäten aufmerksam wird, entscheidet sie sich, nicht einzugreifen – Tante May geht vor. Jonah Jameson interpretiert das im „Daily Bugle“ sofort als Aufgabe und Feigheit der Spinne. Von Peter Parker verlangt er Fotos, die seine Kampagne unterstreichen (wenn es auch generell nicht einfach ist zu fotografieren, wie die Spinne nichts tut). Immerhin bekommt er jetzt ein Festgehalt.

Auch eine nette Idee: Vor dem Verlagsgebäude streiten sich zwei Kinder, ob die Spinne ein Feigling ist oder nicht. Tante Mays Freundin Anna Watson bringt Peter auf die Idee, sie könnte den Abschiedsbrief unter Zwang geschrieben haben. Das bringt ihn dazu, sich in Gestalt der Spinne doch wieder einen Gangster vorzuknöpfen. Warum gerade diese Type etwas über das Verschwinden von Tante May wissen könnte, wird nicht näher erklärt. Jedenfalls sagt er, er kenne seine Auftraggeber nicht. Die Szene ist schon wichtig, damit wir uns dem Auftritt von Doc Ock zumindest ein bißchen annähern. Im Anschluß erleben wir das schon erwähnte Gespräch von Gwen und Flash mit. Ich muß sagen, die beiden hängen so oft zusammen, daß man schon auf den Verdacht kommen könnte, daß sie etwas miteinander haben. Als blauäugiger Teenager habe ich da aber keinen Verdacht geschöpft – war ja auch letztlich nichts dahinter.

Kurz darauf wird die Spinne schon wieder Zeuge einer Gangsteraktion – eines brutalen Einbruchs. Und wieder scheint die Sache etwas mit Tante May zu tun zu haben. Einen der Gangster kann sie nicht so einfach ausschalten wie gewohnt; er zieht ihr eine Metallstange über den Kopf. Der Bösewicht flieht, die Spinne versucht vergeblich, ihn festzuhalten, behält aber eine Halterung in der Hand, die er offenbar am Körper trug. Während sie noch rätselt, was es damit auf sich hat, nähert sich ein weit gefährlicherer Gegner. Es ist endlich die Antwort, nach der Spinne schon eine Ewigkeit lang gesucht hat. Der Spinnensinn klingelt, die Spinne wendet sich um und sieht sich nun Doc Ock gegenüber – eine Splashpage auf der letzten Seite.

Trotz der Löcher in der Handlung (warum haben irgendwelche Gangster, auf die die Spinne zufällig trifft, etwas mit Tante May zu tun?) und trotz einer Story, die gar kein richtiges Thema hat, sehe ich dieses Heft mit Sympathie. Ich finde es gut, wenn nicht bloß einer der Supergegner der Spinne auftaucht und am Ende des Bandes (oder einer der nächsten Nummern) besiegt ist. Der Blick in das Leben von Peter Parker und seinem Alter Ego wirkt einigermaßen glaubwürdig – er hat so manches um die Ohren, was jeden New Yorker betreffen könnte. Einblicke in Peters Leben wie hier haben für mich das eigentliche Lesevergnügen ausgemacht. Das war es, was mich dazu brachte, jedes neue Heft zu kaufen, nicht irgendeine Klopperei mit Doc Ock oder anderen Figuren. Als geübter Leser weiß man, daß es ungünstig ist, wenn am Ende Dr. Octopus angreift; der Konflikt ist freilich noch überhaupt nicht entwickelt. Vielleicht wäre es noch besser, wenn man an diesem Punkt schon wüßte, was Ock will, über welche Waffen oder Strategien er eventuell verfügt, um die Spinne diesmal in die Pfanne zu hauen, und ob er, wie sich andeutet, hinter dem Verschwinden von Tante May steckt. Aber dafür hätten wohl 20 Seiten nicht ausgereicht. – Notiz am Rande: Der Spider-Man-Kinofilm wird nach wie vor auf zwei Seiten promotet.

Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:42 Uhr)
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