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Alt 05.09.2016, 16:43   #111  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Am Wochenende habe ich mir den Schimanski-Klassiker Das Mädchen auf der Treppe gegönnt. Der ist wesentlich experimenteller als die Tatort-Experimente von heute (Wer bin ich?). Früher hat auch die B***-Zeitung mit dem Zählen des Sch-Wortes von den wirklichen Pioniertaten abgelenkt.

Schimanski gehörte zu den ersten Ermittlern, die ich komplett miterlebt hatte. Von Haferkamp, Finke & Co. habe ich nur die Schlußkapitel auf der Mattscheibe gesehen.

Das Mädchen auf der Treppe läßt die klassische Whodunit ins Leere laufen und ähnelt in weiten Teilen eher einem Thriller: Kann Schimmi das Mädchen vor dem Killer beschützen?
Außerdem beginnt er mit einer schier endlosen Einstellung, wie Schimanski die Treppen seines Hauses hochsteigt - das hat fast ein Antonioni-Feeling. Die Nähe zu französischen Krimigrößen wie Claude Chabrol zeigte sich in der Gestaltung des Bildes.
Außerdem empfand ich die Musik von Tangerine Dream eher als ambient. Die half dem Zuschauer nicht mehr dabei, die Lage gefühlsmäßig richtig einzuschätzen. Heute ist das gang und gäbe.

Ein besonderes Schmankerl für mich war der junge Jan Fedder mit Vollbart. Seine Prügelei als Wolfgang Patschke, ein schwerer Junge mit kleiner Mundharmonika, mit Schimanski gehörte zu den Höhepunkten des Films.
Cool fand ich die Szene, in der Patschke zwar vom Mordverdacht loskommt, aber als Drogendealer überführt wird. Thanner sagt ihm, er könne gleich weitergehen zum Drogendezernat. Was macht Patschke? Der kommt noch mal von der Tür zurück, geht an Schimanskis Schreibtisch und legt dem stoisch seine Mundharmonika vor die Nase. Das erinnerte mich an einen anderen Film über einen Mann mit einer Mundharmonika ...

Wer die Folge heute zum ersten Mal sieht, dürfte sie ebenso gewöhnungsbedürftig finden wie das Publikum damals.

Geändert von Servalan (30.10.2016 um 18:10 Uhr)
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