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Alt 15.02.2010, 17:24   #904  
michidiers
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Invisibles
Sammelband 7

-The invisible Kingdom –
von Grant Morrison

In diesem abschließenden Sammelband, der das komplette letzte US-Vol III (Ausgaben 1-12) enthält wird die interessanteste Serie, die ich bisher gelesen habe, beendet. Diese Serie handelt von dem ewigen Ringen zweier unterschiedlicher gesellschaftlicher Strömungen um die Vorherrschaft auf unserer Erde. Auf der einen Seite die konservativen Kräfte, repräsentiert durch Wirtschaft, Politik, Adel. Und auf der anderen Seite die Kräfte der Veränderung, der Anarchie. Eine Zelle, die für die Anarchie kämpft, sind die Invisibles um den charismatischen King Mob.

Der Handlungsort der Serie ist unsere Erde, auf der Mythen, Verschwörungstheorien, Spiritualität, Innerlichkeit, Metaphysik, Alientheorien in einer von Popkultur geprägten Umwelt real sind. Dazu gesellen sich noch jede Menge an weiteren Verweisen, Zeitsprüngen und Verlinkungen innerhalb der fast 60 US-Ausgaben. Um das ganze noch verwirrender zu gestalten, wurden nur etwa 20 US-Ausgaben von Panini in deutscher Sprache veröffentlicht. Den Rest der zugegeben schon in deutscher Sprache schon komplizierten Stoffes (milde ausgedrückt) musste ich als interessierter Leser in englischer Sprache weiterlesen. Schande über Panini!

Man wird sich jetzt fragen: Warum das alles? Nur, um die spleenig-paranoiden Ergüsse eines schottischen Spinners zu lesen, dessen Hirn von Drogentrips aufgeweicht wurde? Bisweilen musste ich mich das tatsächlich fragen. Morrison packt viele, manchmal leere, Symbolik in das Werk und verliert dabei den Sinn des Verständnisses. In anderen Worten, ein Fokus ist nicht zu erkennen. Und das ist ein Problem dieser Serie. Durch die vielen von ihm geöffneten Fässer, Hinweise und Einwürfe kann er keine klare ganzheitliche Prägnanz schaffen. Vielen Lesern wird durch die auf den ersten Blick scheinbare Willkür des Plots sicherlich ein klares Muster fehlen.

Ein weiteres Problem ist nach meiner Auffassung, dass nicht alle eingesetzten Zeichner auch seine Scrips so umsetzen konnten, dass Morrisons Gedanken auch im Verständnis des Lesers Fuss fassen können. So sind viele Panels auf den ersten Blick verwirrend und scheinen zusammenhangslos. Mir haben da nur die „annotations“ zu diesen letzten 12 Ausgabe unter www.barbelith.com weiterhelfen können, ohne die ich das gesamte Werk wohl nie richtig geschnallt hätte.

Apropos: „Das Werk geschnallt“. Wer hier nach solch einer vollgedröhnten Achterbahnfahrt ein rundes Ende erwartet, hat sich geschnitten. Auch der Abschluss lädt wieder einmal zu jeder Menge Spekulation und Interpretation ein, die wohl nur im Kontext gesehen werden können. Da lässt Morrison dem Leser zum Ende viel Raum, den dieser dafür auch nutzen sollte. Die Befreiung der Seele und des Körpers von den Zwängen der Zivilisation und von dem Diktat der Macht und die damit einhergehende Befreiung von den inneren Konflikte ist nur eine gedankliche Richtung, zu dem die Morrison hier den Leser inspiriert.

Fazit: Der Leser wird nicht konventionell mit Unterhaltung berieselt, er wird bei der Lektüre gefordert mitzudenken und eigene Schlüsse zu ziehen. Anders funktioniert das nicht. Wer eine in sich abgeschlossene und stimmige Story sucht, muss Superman oder so lesen. Wer aber dazu bereit ist, der findet ein Comicerlebnis, dass man wohl nie wieder vergisst. Schaut Euch David Lynchs Kinowerk „Inland Empire“ an, dann habt ihr einen ungefähren Eindruck von dem Inhalt, Aufbau und Wirkung des Comics.
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