Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 18.02.2024, 11:26   #1906  
God_W.
Captain Rezi
 
Benutzerbild von God_W.
 
Ort: Nähe Aschaffenburg
Beiträge: 19.073


Nachrichten aus Mittelerde (J. R. R. Tolkien)

Da haben wir ihn, den Mittelerde-Rundumschlag unter den nachträglich veröffentlichten Tolkien-Werken. Der immerhin über 700 Seiten starke Brocken beinhaltet Material aus allen drei Zeitaltern von Mittelerde, fein säuberlich zusammengesucht und herausgegeben von J. R. R. Tolkiens Sohn Christopher. Wo nötig kommentiert und an der ein oder anderen Stelle leicht editiert, zumeist um verschiedene Schreibweisen von Namen anzugleichen und solche, oder einen Fehler respektive Widerspruch entweder auszumerzen oder zumindest zu verdeutlichen.



Das Buch wurde erstmals bereits 1980 veröffentlicht, also gerade mal drei Jahre nach dem Silmarillion. Seither gab es einige weiterführende Erkenntnisse und der ein oder andere Schnipsel aus der Feder Tolkiens wurde noch entdeckt oder entziffert. Dadurch wurde hier zwar einige Anmerkungen und Fehlerchen überarbeitet und korrigiert, aber an Storyinhalten wurde dem Buch nichts mehr hinzugefügt, wenn ich das richtig verstanden habe. Zusätzliches Material gibt es also, wenn überhaupt, dann in den späteren Veröffentlichungen, die sich intensiver mit einzelnen Geschichten beschäftigen, zum Beispiel „Der Fall von Gondolin“.

Das bringt uns gleich zu der Frage: Braucht man dieses Buch überhaupt? Dazu ein klares Jein. Das hängt zuallererst stark davon ab, was man denn zuvor schon alles von Tolkien gelesen hat und auf der anderen Seite davon, wie eingehend sich man mit dem ganzen Material und der vom Autor erdachten Welt befassen möchte.



Wer die drei Bücher zu den großen Geschichten des ersten Zeitalters, also „Die Kinder Húrins“, „Beren und Lúthien“ sowie „Der Fall von Gondolin“ gelesen hat wird im ersten Abschnitt dieses Buches nur Wiederholungen finden und feststellen, dass die drei genannten Werke sogar deutlich mehr bieten, sowohl vom erzählerischen Inhalt als auch was die begleitenden Erläuterungen und Infos betrifft. Seit „Der Untergang von Númenor“ erschienen ist gibt es auch für das zweite Zeitalter ein umfassendes Werk, welches die Geschehnisse dieses Zeitraums chronologisch und ausführlich, ja geradezu akribisch wiedergibt, und das aus allen erdenklichen Quellen. Auch hier also eher Wiederholung zur Verfestigung statt neuen Erkenntnissen und insgesamt gar weniger Material und nicht in derart zugänglicher Reihenfolge aufbereitet, wie es beim „Untergang von Númenor“ der Fall ist. Ja, Christopher Tolkiens Kommentare hier sind Andere, als es bei den späteren Veröffentlichungen der Fall ist, aber der Inhalt ist im Großen und Ganzen der Gleiche.



Kommen wir also zu meinem Hauptgrund das Buch zu lesen, dem dritten Zeitalter. Beginnend mit dem „Verhängnis auf den Schwertelfeldern“, welches am Ende von „Der Untergang von Númenor“ bereits angeteasert wurde, bietet das Buch wirklich reichlich Inhalt zum letzten Zeitalter Mittelerdes, bevor die Elben und Zauberer diese Gefilde verließen und den Menschen und Halblingen überließen. Ein klein wenig davon bekommt ja schon im „Silmarillion“ zu lesen, und die Anhänge des „Herrn der Ringe“ selbst bieten dahingehend so Einiges, doch in gesammelter und dermaßen umfassender Form wie hier findet man diese Geschichten und Ereignisse sonst bislang nirgends. Immerhin knapp 150 Seiten drehen sich ausschließlich um diese letzten Tage, und da sind die Extra-Kapitel über die Drúedain, die Istari und die Palantíri, die sich über mehrere Zeitalter erstrecken, noch gar nicht mit eingerechnet. Wenn man das „Silmarillion“ und die Anhänge des „Herrn der Ringe“ gelesen hat kennt man sicher Vieles schon, aber das Buch hat auch durchaus neues Material zu bieten, welches ich äußerst interessant und schön zu lesen fand. Dabei wird das dritte Zeitalter im Grunde gesamtheitlich abgehandelt, also auch die Geschehnisse im Hobbit und im Herrn der Ringe nochmal grob umrissen, jedoch aus anderer, nüchterner Sichtweise, wie in historischen Aufzeichnungen üblich.



Gebunden, mit Lesebändchen, diesmal ohne beigelegte Karten, aber Vor- und Nachsatz sind mit ebensolchen bedruckt und mit 18 Farbtafeln der Künstler Alan Lee, John Howe und Ted Nasmith versehen ist der Band eine wirklich gelungene Veröffentlichung. Ob man das Geld für vergleichsweise wenig „neues“ Material investieren möchte, sollte man die oben genannten Bände schon besitzen, muss jeder selbst entscheiden. Wenn man es eh nicht ganz so intensiv und ausführlich, und gerne auch mit weniger Kommentaren und Erläuterungen mag, dann ist dieses Buch aber auch vielleicht genau das Richtige, um die Kernereignisse aller drei Zeitalter in Mittelerde mitzuerleben, ohne sich „Die Kinder Húrins“, „Beren und Lúthien“, „Der Fall von Gondolin“ sowie „„Der Untergang von Númenor“ zu Gemüte führen zu müssen. Sicherlich auch eine gute Option, ist ja vielleicht nicht jeder so freaky wie ich.

7,5-8/10

VG, God_W.
God_W. ist offline   Mit Zitat antworten