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Alt 06.01.2014, 20:24   #19  
74basti
Moderator Sekundärliteratur
 
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Ort: Höxter
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CSSI # 169
Titel: Berenice (II)
Farbe: Vierfarbig
Seitenzahl: 8 Seiten
Text: Edgar Allan Poe, Richard Corben
Originalveröffentlichung: Dark Horse presents # 16
Erschienen: September 2012
Deutsche Veröffentlichung: -



Inhalt:
Eagus sitzt am Totenbett seiner Cousine Berenice. Er erinnert sich, wie seine Mutter ihm eröffnete, dass sie zu alt sei, um den Haushalt zu versorgen und sie daher Berenice zu sich nehmen wolle. Eagus scheint zu dieser Zeit schon geistig angegriffen zu sein, sitzt über seinen Büchern und wiederholt die gelesenen Wörter immer und immer wieder. Den Tod seiner Mutter bekommt er schon nicht mit, doch als Berenice den Rum betritt und lächelt, verliebt er sich in ihre makellosen Zähne. Er liest Bücher über Gifte und verbringt mehr Zeit mit Berenice. Nach dem Genuss eines von Eagus eingeschenkten Weines stirbt sie an einer Attacke. Er bekommt Träume von den Zähnen, gelähmt, und fällt in einen Traum, in dem er Berenices Mund weit öffnet.
Überrascht wacht er an seinem Schreibtisch auf, kann sich nicht erinnern, was passiert ist. Ein Diener betritt den Raum, um seinem Herrn von einer Grabschändung zu berichten. Dabei bemerkt er die zerkratzten und blutverschmierten Hände von Eagus, eine Schaufel und einen Kasten. Dieser fällt zu Boden und 32 Zahnstümpfe und eine Zange verteilen sich auf dem Boden. Der Diener flieht und Berenice betritt das Zimmer, Blut läuft von ihrem Mund herab über den Körper, eine Schaufel in der Hand. Spaltet seinen Schädel mit der Axt. Als der Diener zurückkehrt, kann er sich nicht erklären, was passiert ist.

Bemerkung:
Berenice entstand 1835. In einen (bisher auf Deutsch unveröffentlichten) Interview gestand Richard Corben, dass Richard Margopoulos und seine Vorstellung von Poe´schem Horror nicht mehr zueinander passten. Als kehrte er den modern(d)en Interpretationen, die 2006 bei Marvel entstanden waren den Rücken zu, und näherte sich im Gegensatz zur ersten Version (CSSI # 153) wieder dem Original an. Aber Corben kann es sich nicht verkneifen, dem Original ein neues Ende hinzuzufügen. In meiner eigenen Poe-Ausgabe (Nachdruck der Nymphenburger Ausgabe von 1965) endet die Geschichte so:

"... mit Gerassel rollten einige zahnärztliche Instrumente heraus und zweiunddreißig kleine, weiße, wie Elfenbein schimmernde Gegenstände, die sich auf dem Fußboden verstreuten..." (Die Story endet wirklich mit diesen drei Punkten )

Keine Rückkehr aus dem Grab, keine Schaufel, keine Rache! Aber ein schöner Blick über den Tellerrand.

So endete die erste Fassung werkgetreuer (allerdings enthielt diese eine etwas andere Übersetzung, nämlich von Hans Wollschläger und Arno Schmidt).

Hintergründe:

Zitat:
Der Schlüssel für eine biografisch orientierte Deutung der Erzählung dürfte sich bereits im zweiten Absatz der Erzählung finden:
Alle Erinnerungen aus meiner frühen Jugend sind mit diesem Zimmer und seinen Büchern, von denen ich jedoch nichts weiter sagen will, aufs engste verbunden. In diesem Gemach starb meine Mutter. Hier wurde ich geboren.
Poe hatte seine Mutter bereits als Kleinkind verloren. Die hier benutzte Formulierung lässt die Möglichkeit zu, dass die Mutter von Egeus bei der Geburt gestorben ist, dass er sie also unwillentlich durch seine Geburt getötet hat. In seiner Cousine Virginia Clemm, die wie seine Mutter ebenfalls an Tuberkulose litt (und an ihr sterben sollte), hatte Poe eine Lebensgefährtin gefunden. Die fetischistische Fokussierung auf Details, im Verlauf der Erzählung auf die Zähne Berenices, ist einerseits charakteristisch für die verschobene Wahrnehmung des Opium-Konsumenten, andererseits aber auch Ausdruck der Inzestangst, die Muttergeliebte betreffend: Zur Hochzeit kommt es nicht, und nicht ohne Grund hebt der Ich-Erzähler hervor:
Ich wußte bestimmt, dass ich sie (Berenice) in den strahlenden Tagen ihrer unvergleichlichen Schönheit nicht geliebt hatte.
Den Namen Berenice hat Poe vielleicht gewählt, weil es ein Sternbild gibt mit dem Namen Haar der Berenike. Das Haar spielt kurz vor ihrem Tod eine besondere Rolle, als es sich von schwarz in gelb verfärbt:
Ihr früher pechschwarzes Haar fiel zum Teil über die Stirn und beschattete die hohlen Schläfen mit zahllosen Locken von schreiend gelber Farbe, deren phantastischer Anblick grausam gegen die müde Trauer ihrer Züge abstach.
Es ist darauf hingewiesen worden, dass diese Haarfarbe derjenigen von "Das Leben im Tode" in The Ancient Mariner des von Poe hochverehrten Samuel Taylor Coleridge entspricht.

(Quelle: Wikipedia)

"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799

Geändert von 74basti (11.01.2016 um 17:21 Uhr)
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