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Alt 02.04.2018, 21:25   #48  
Peter L. Opmann
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Dies waren Spinne-lastige Osterfeiertage.

Wem die Besprechungen auf die Nerven gehen, dem kann ich versichern, daß ich in diesem Tempo nicht weitermachen werde. Wahrscheinlich schaffe ich ähnlich wie Michi Diers im Normalfall ein Heft pro Woche.

Die Spinne (Williams) 8

Erscheinungstermin: 4/1974

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 8
2) Tales to Astonish # 77/78

Story-Titel:
1) Das lebende Gehirn!
2) Der Prinz und die Puppe!

Original-Storytitel:
1)The terrible Threat of the Living Brain!
2) The Prince and the Puppet!

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Adam Austin (= Gene Colan) / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Diese Ausgabe kannte ich relativ früh durch einen Flohmarktkauf. Und es handelt sich um eine ziemlich gute Ausgabe. Allerdings hat Williams hier wieder mal die Storys auf frappierende Weise umgestellt. Zunächst mal macht die Redaktion einen Sprung nach vorn und läßt ASM # 6 und 7 aus. Das hat einen Grund: Es sind ja noch drei Seiten „Submariner“ vom letzten Mal übrig. Die werden nun untergebracht. ASM # 8 hatte die Besonderheit, daß die Hauptstory nur 17 Seiten lang ist. Deshalb wird sie vorgezogen. Beim Submariner bedient man sich eine kleinen Tricks: Die Splashpage von TtA # 78 wird vor die restlichen drei Seiten aus TtA # 77 gestellt, die nun wie ein Rückblick wirken, und dann folgt der Rest von TtA # 78.

Auf der Strecke bleibt der Rest von ASM # 8; dabei handelt es sich um eine fünfseitige Spider-Man-Story, die von Jack Kirby gezeichnet (und Steve Ditko geinkt) wurde. Ist zwar ein Kuriosum, aber inhaltlich nicht so berauschend: Die Teenager Spinne und Fackel stören sich gegenseitig beim Imponiergehabe – die Unsichtbare versöhnt am Ende die Streithähne. Diesen Fünfseiter konnte man erst im Jahrgangsschuber 1964 lesen.

Zum „lebenden Gehirn“: Mr. Petty, Mitarbeiter von „ICM“ (zweifellos eine Anspielung auf das IT-Unternehmen IBM) hat einen lernfähigen Roboter entwickelt und stellt ihn – natürlich – als erstes an Peters Schule vor. Der Blechkopf ist darüber hinaus dank der eingefütterten Daten beinahe allwissend. Die Schüler testen ihn mit der Frage: Wer ist die Spinne? und liefern noch ein paar Daten nach, die nur Fans kennen. Peter wird ausgewählt, das Ergebnis zu ermitteln und bekanntzugeben. Zum Glück für ihn spuckt der Roboter seine Antwort in einer Programmiersprache aus; er soll sie zuhause entschlüsseln.

Zwei Gauner beschließen derweil, den Roboter zu klauen, denn sie erwarten, daß er die Zukunft voraussagen kann, und wollen damit reich werden. Sie werden dabei aber vom (wie schon beim Sandmann) sehr forsch auftretenden Rektor der Schule erwischt. Beim folgenden Gerangel wird der Roboter versehentlich aktiviert und gerät außer Kontrolle. Peter liefert sich gerade mit Flash Thompson, der ihn wieder mal gehänselt und provoziert hat, einen offiziellen Boxkampf. Diesmal hat er keine Bedenken, daß er sich damit als Spinne entlarvt – er will nur ganz sanft zuschlagen. Flash, der berüchtigte Schulhofbulle, geht dabei sofort k.o., doch die Zuschauer werden gleich darauf durch die Nachricht aufgeschreckt, daß der Roboter Amok läuft.

Peter verwandelt sich in der Verwirrung in die Spinne und versucht, den Roboter zu stoppen. Erst stellt er fest, daß der Apparat ganz schön stark ist, dann, daß er sich auf seine akrobatischen Fähigkeiten einstellt und selbst Strategien entwickelt, seinen Gegner zu erledigen. Schließlich bewegt sich der Roboter auf zwei Schüler zu. Die Spinne springt auf seinen Rücken und beginnt, den Aus-Knopf zu suchen. Der Roboter nimmt ihn dabei in seinen eisernen Griff. Als er deaktiviert ist, hat er die Spinne noch immer im Griff und bricht durch ein Fenster, aber mit ihrem Netz bewahrt die Spinne beide vor dem Absturz.

Die Schlußpointe ist nicht schlecht: Flash erwacht aus seiner Ohnmacht und ist verwirrt. Während er seine Schuhbänder zubindet, fallen die beiden Gauner, die den Roboter klauen wollten, über ihn und werden so an ihrer Flucht gehindert. Flash ist wieder der große Held. Peter streut geschickt das Gerücht, Flash sei die Spinne, und lenkt den Verdacht so von sich ab. An die Lösung des Roboters, die er übersetzen sollte, denkt niemand mehr (somit bleibt offen, ob er wirklich enttarnt worden wäre).

Aus heutiger Sicht ergibt die Story beinahe mehr Sinn als 1964, als sie veröffentlicht wurde. Lernfähige Roboter gibt es heute tatsächlich, und Computer sind zwar vielleicht nicht allwissend, haben aber mehr Daten über uns gespeichert, als uns lieb sein kann. Daß auf diese Weise die Geheimidentität der Spinne aufgedeckt werden könnte, erscheint heute absolut denkbar. Die Story besticht aber auch durch ihre humoristischen Elemente. Ihren Kampf mit dem Roboter garniert die Spinne hier mit ansatzweise selbstironischen Sprüchen („Oh, du liebes Netz! Wir schwingen wieder in die gute Stube!“). Höhepunkt der Story ist aber wohl der Boxkampf von Peter und Flash („Das war ein Ulk, Flash! Du mimst den Clown, so daß Parker glaubt, er sei superstark, dann machst du ihn fertig, nicht wahr?“ – „Wie? Ach ja. Ich mach‘ erst ein paar Späßchen!“).

Ditko setzt das Ganze in ordentliche Bilder um. Da, wo die Story lustig wird, liefert er passende Karikaturen der Gesichter. Er hat die Serie nun gut im Griff. Auch Gene Colan zeichnet übrigens den Submariner nun deutlich dynamischer und entfaltet allmählich seinen eigenwilligen Stil. In dieser Spider-Man-Episode gibt es keine Auftritte von Tante May oder Jonah Jameson. Dafür fehlt der Platz. Warum sie kürzer ausgefallen ist, weiß ich nicht. Vielleicht lag in USA die Zweitstory, „Spider-Man tackles the Torch“, schon vor und sollte verwertet werden.

Noch ein Blick aufs Cover: Da hat Williams nach Condor-Art massiv eingegriffen. Die flammende Fackel wurde entfernt, dafür ein Aquarius eingefügt. Er trägt einen schwarzglänzenden Anzug, paßt also eigentlich nicht hierher. Statt der zweiten Spinne-Story (die es nicht gibt) wird sein Abenteuer in einem gezackten Textkasten groß angekündigt. Das ist für meinen Geschmack deutlich zu viel Bearbeitung.
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