Thema: Filmklassiker
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Alt 12.04.2024, 06:06   #2034  
Peter L. Opmann
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Der zweite Film auf der Cassette trug mal in Deutschland den Titel „Das Zuchthaus der verlorenen Mädchen“. Dies ist nun tatsächlich ein Debütfilm, „Caged Heat“ (1974) von Jonathan Demme. Ein spekulativer Reißer über schlimme Zustände in einem US-Frauengefängnis und drei Frauen, denen schließlich ein blutiger Ausbruch gelingt. Demme drehte ihn im Auftrag von Roger Corman für 180 000 Dollar. Über das Einspielergebnis weiß ich nichts, aber dieser Film, nach damaligen Maßstäben nahe an einem Porno, hat an der Kasse gewiß nicht versagt. Die Hauptrolle spielt Erica Gavin, die als Russ Meyers „Vixen“ bekannt geworden ist.

Die Handlung ist ziemlich dümmlich und lohnt das Erzählen nicht. Aber Demme hat das Knastdrama – sicher im Gegensatz zu vielen ähnlichen Machwerken – einfallsreich und ansprechend inszeniert. Es gibt zwar eine Menge nackte Frauen zu sehen (ein Akzent wird auf die Szene gelegt, als die Gefangenen gemeinsam zum Duschen geführt werden), aber das ist relativ geschmackvoll gemacht. Er gab zudem Frauen ernstzunehmende Parts und ließ am Rande etwas Feminismus und Sozialkritik anklingen, anders als das in Gefängnisfilmen der Zeit üblich war. Er empfiehlt sich hier bereits durchaus für Höheres. Demme wollte nicht nur eine Pseudohandlung dazu benutzen, blanke Busen zu zeigen. Ohne Sex und Gewalt geht es freilich nicht – schließlich ist es ein Frauengefängnis-Film. Worauf man sich auch einstellen muß: Vulgäre bis explizite Dialoge, angedeutete Vergewaltigungen durch den Gefängnisarzt (der vor allem dazu da zu sein scheint, renitente Frauen mit Elektroschocks zu behandeln und zu lobotomieren) und wilde Schießereien mit reichlich Blut.

Die Filmmusik hat John Cale (Ex-„Velvet Underground“) eingespielt. Auf ihn hat Demme später noch einmal bei seinem Film „Something Wild“ zurückgegriffen. Kameramann Tak Fujimoto hat für mehrere bekannte New-Hollywood-Regisseure gearbeitet, später beim „Schweigen der Lämmer“ auch wieder für Demme. Bei diesem Film ist es interessant, die Kritiken zu lesen. In USA erkannten manche Rezensenten, daß hinter dem Film etwas mehr steckt. Die Bewertung der Katholischen Filmkommission wurde völlig umgeschrieben, klingt aber in beiden Versionen eher negativ. 1977 zum Kinostart hieß es: „Reißerische Geschichte von Flucht und Befreiung aus einem amerikanischen Frauengefängnis. In Einzelheiten treffende Zustandsschilderung, insgesamt aber klischeehaft mit drastischem Dialog, so daß der Eindruck der Spekulation überwiegt.“ 1985 hörte sich das dann so an: „Die an den Rollstuhl gefesselte Direktorin des Frauengefängnisses (USA) ist hochgradig verklemmt, die Aufseherinnen sind sadistisch veranlagt, der geile Anstaltsarzt ist ein Fall für den Psychiater… Als Handlungsfaden zieht sich durch den reißerisch-detailversessenen, drastisch dialogisierten Film die Befreiung einer Gefangenen von zwei Ausbrecherinnen.“

Großer Minuspunkt: Das im Original nur 83 Minuten lange Werk ist in der deutschen Fassung um fast 20 Minuten (!) gekürzt.
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