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Alt 18.05.2015, 11:31   #49  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Jedenfalls haben die Theaterbearbeitungen von Comics schon den Lehrplan der Theaterwissenschaften (Universität Bern, Dozent lic.phil. Mathias Bremgartner) erreicht. Allerdings fixiert sich die Lehre sehr stark auf die Gegenwart. Die von Eckart Sackmann erwähnten Verbindungen zu Vaudeville, Cabaret und Slapstick aus den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fallen dabei komplett unter den Tisch.
Einige der Thesen halte ich deswegen für unhaltbar, verweisen sie doch auf Bildungslücken in den Bereichen Unterhaltung der "niederen Schichten im 19. Jahrhundert" und in der Comicgeschichte.
Zitat:
Performing Comics - Dramaturgie, Intermedialität und Ästhetik von "Theatercomics"

1. Das Phänomen „Theatercomics“
Comics gewinnen im gegenwärtigen Kulturschaffen immer stärker an Bedeutung. Ihre Stoffe und ihre spezifische Medialität beeinflussen Film, Fernsehen, Literatur, bildende Künste und digitale Medien (vgl. z.B. Berninger 2010). Auch im Theater bedient sich ein breites Spektrum an Produktionen der visuellen Ästhetik, der Fülle an Geschichten und der fantastischen Figuren der Comics-Welt: Am New Yorker Broadway feierte 2011 das spektakuläre Spiderman-Musical „Turn off the Dark“ Premiere und seit Herbst gleichen Jahres tourt weltweit die bühnen- und medientechnisch elaborierte englische Arena-Show „Batman Live“. Neben diesen kommerziellen Grossevents sind „Theatercomics“ aber auch in den Zentren des (hochkulturellen) Theaters zu finden: Diverse Stadt- und Staatstheater, freie Theatergruppen, Tanzkompanien und -choreographen sowie Kinder- und Jugendtheater¬formationen haben jüngst Inszenierungen hervorgebracht, die auf den Ästhetiken, Geschichten und Figuren von Comics verschiedenster Genres beruhen oder von diesen inspiriert sind. Als Beispiele können u.a. die „Prinz Eisenherz“-Inszenierungen am Hessischen Staatstheater Wiesbaden und an der Schauburg München, die Manga-Adaption „Quartier Lointain“ der Westschweizer Gruppe Supertroptop, die Tanztheater-Inszenierung „TeZukA“ des belgisch-marokkanischen Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui oder die auf ein jungendliches Publikum ausgerichteten „Superhero“-Inszenierungen am Luzerner Theater und am Jungen Theater Göttingen genannt werden.

(...)

6. Thesen
Nach einer ersten Durchsicht des zu untersuchenden Corpus werden der hier projektierten Studie vier Thesen zu Strukturen, Funktionen und Wirkungsweisen von „Theatercomics“ vorangestellt, die anhand detaillierter Inszenierungsanalysen überprüft werden sollen:
1. Die Entscheidung Comicstoffe und -figuren für die Bühne zu adaptieren führen zu einer Reibung mit den ästhetischen und formalen (Erzähl-)Mitteln von Comics und damit verbunden zu einer inhaltlichen und künstlerischen Auseinandersetzung und Reflexion der Strukturelemente und Wirkungsmechanismen von Theater.
2. Obwohl sie oft ohne technische Medien auskommen, sind „Theatercomics“ geprägt von Dramaturgien, die sich als intermedial beschreiben lassen. Intermediale Dramaturgie wird hier so verstanden, dass die Abläufe, Strukturen und Funktionen der „Theatercomics“ sowie deren Wirkungsweisen vom Wechselspiel und den Verschränkungen von Theater mit anderen Künsten und Medien – nicht nur ausschliesslich Comics – geprägt sind.
3. „Theatercomics“ reaktualisieren Theatermittel (bspw. Schatten- und Puppentheater) und Dramaturgien (bspw. Spektakeldramaturgie und Nummerntheater), die im traditionell bürgerlich-literarischen Theater oftmals marginalisiert werden.
4. Aufgrund der populärkulturellen Prägung von Comics und der zu kurz greifenden Zuschreibung von Theater zur Hochkultur fungieren „Theatercomics“ als Ort der Auseinandersetzung zwischen Populär- und Hochkultur, an welchem der kulturelle Stellenwert von Comics und Theater sowie die Autorität und Akzeptanz verschiedener Künste und Genres in produktiver Art und Weise ausgehandelt werden.

Geändert von Servalan (18.05.2015 um 11:47 Uhr)
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