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Alt 14.12.2016, 20:12   #21  
Servalan
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Caravaggio (Großbritannien 1986), Drehbuch: Derek Jarman, Suso Cecchi d'Amico und Nicholas Ward-Jackson nach einer Idee von Nicholas Ward-Jackson, Regie: Derek Jarman, 93 min, FSK: 12

Wer durch Milo Manaras Comicbiographie neugierig geworden ist und mehr über den Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610), den Begründer der Barockmalerei, wissen möchte, stößt früher oder später auf Derek Jarmans fiktionalisiertes Biopic.

Derek Jarman (1942-1994) kam über den Umweg Kunstgeschichte und Kunst ins Filmgeschäft. Er gehört zu den Ikonen des Low-Budget/No-Budget-Films, die mit den Erzählweisen Hollywoods bricht und finanzielle Schwächen in ästhetische Statements verwandelt.

Caravaggio liebte Männer. Dieser Umstand trug dazu bei, sich diesem Pionier realistischen Malens zu widmen. Durch die HIV/AIDS-Panik (in der Presse auch "Schwulenpest" genannt!) fand die konservative Regierung unter Margaret Thatcher einen Vorwand, um öffentliche Aufklärung von Schwulenverbanden zu behindern und zu unterbinden. Diese protestierten vehement gegen das Gesetz Clause 28, das im Mai 1988 verabschiedet wurde.
Jarman erfuhr 1986 von seiner HIV-Infektion. Zu dieser Zeit ein klares Todesurteil.

Caravaggio entspricht den Klischees einer Renaissancebestie. Obwohl er materiell von der Gunst seiner Gönner und Mäzene wie dem Kardinälen Del Monte und Scipione Borghese abhängig bleibt, schert sich nicht um Konventionen und folgt seiner künstlerischen Vision. Modelle seiner lebensechten Figuren sind Arme, Prostituierte, Diebe und Säufer, die er in religiösen Motiven verewigt, häufig als Märtyrer.
Sein hitziges Temperament entflammt sich bei geringsten Anlässen, Messerstechereien sind an der Tagesordnung ...

Jarman filmte in einem verlassenen Lagerhaus und spart sich die Kostüme. Intensität ist ihm wichtiger als ein platter Schauwert. Deshalb tragen die (heute berühmten Schauspieler) Nigel Terry, Sean Bean, Tilda Swinton, Michael Gough und Robbie Coltrane Lederjacken, Jeans und andere Alltagskleidung der 1980er.
Der Bruch zeigt sich auch in den Kulissen und Requisiten: Elektrisches Licht beleuchtet eine Bar, Mopeds und Eisenbahnen sind im Hintergrund zu hören, außerdem werden Zigaretten geraucht. Eine mechanische Schreibmaschine, ein Taschenrechner und ein LKW sind weitere Anachronismen.

Geändert von Servalan (13.03.2024 um 12:34 Uhr)
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