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Alt 31.03.2018, 10:15   #46  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 6

Erscheinungstermin: 3/1974

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 4
2) Tales to Astonish # 76

Story-Titel:
1) Der unüberwindliche Sandmann!
2) Namor kehrt zurück!

Original-Storytitel:
1)Nothing can stop the Sandman!
2) Uneasy hangs the Head

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Adam Austin (= Gene Colan) / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Mit der Serie geht es weiter bergauf. Zu diesem Urteil mußte ich mich durchringen, denn man kann auch einige Negativpunkte dieses Hefts nennen: Steve Ditko zeichnet wieder etwas krakelig (wie in ASM # 1). Für den Sandmann verwendet er einen dickeren, groberen Strich, wohl um damit seine wechselnde Körperkonsistenz auszudrücken – es sieht aber nicht gut aus. Er arbeitet mit vielen kleinen Panels, was jedenfalls nicht nach meinem Geschmack ist. Und was die Williams-Ausgabe betrifft: In diesem Heft sind mir die Probleme mit den vergrößerten Sprechblasen erstmals richtig aufgefallen. Sie erdrücken teils die Figuren und werden sehr dilettantisch größer gezeichnet. Zudem gibt es offenbar Probleme mit dem Schriftsatz. Aus irgendeinem Grund fehlen immer wieder mal Buchstaben und ganze Wörter; in einer Sprechblase wird sogar handgelettert, weil die Schrift offenbar ausgefallen ist.

Aber die Story ist gut. Sie ist nicht mehr so schematisch wie in den beiden vorausgegangenen Ausgaben. Das Duell der beiden Supertypen liest sich vielmehr sehr abwechslungsreich, und Lee und Ditko bringen auch noch ein paar Nebenhandlungen unter. Wie häufig ist die Spinne zu Beginn auf Verbrecherjagd. Die drei Gangster, die sie vom Einbruch in ein Juweliergeschäft abhalten will, wissen sich jedoch zu wehren: Sie sind ja noch nicht eingebrochen, und daß sie das vorhatten, müßte man erstmal beweisen. Außerdem rufen sie nun selbst die Polizei, weil sie sich von der Spinne bedroht fühlen. Die muß schleunigst verduften. Beim Weiterschwingen wird sie nun auf den Sandmann aufmerksam, der von der Polizei gesucht wird. Beim ersten Kräftemessen zerreißt ihre Maske, so daß sie sich zurückziehen und sie flicken muß (das kommt später noch öfter vor). Gleichzeitig wird die Entstehungsgeschichte von Sandmann erzählt: Als er sich vor seinen Häschern auf einem Atomtestgelände versteckte, bekam er Radioaktivität ab; sein Körper nahm die Eigenschaften von Sand an, auf dem er gerade stand.

Peters Klassenkameradin Liz Allen rückt erstmals in den Blickpunkt. Er hat mit ihr ein Date. Weil er aber den Sandmann verfolgen will, sagt er ihr ab – zu ihrem Ärger und Flash Thompsons Freude. Eine lange Suche ersparen Lee und Ditko der Spinne – der Sandmann will just an dieser Schule untertauchen. Der Rektor stellt sich ihm mutig entgegen, da betritt die Spinne die Szene und versucht, den Sandmann k.o. zu schlagen. Es folgen sechs Seiten Kampf. Abwechselnd rieselt der Sandmann der Spinne davon und trifft sie mit betonharten Schlägen. Es dauert eine Weile, bis die Spinne die Lösung findet: Der eben in Sandkörner aufgelöste Gegner wird einfach in einen großen Staubsauger eingesogen.

Dummerweise fällt Peter Parker jetzt erst ein, daß er für Jameson hätte fotografieren können. Kurzentschlossen greift er zu einem kleinen Trick: Er wirft Löschsand in die Luft und tut so, als ob er gerade gegen den Sandmann kämpft. Jonah legt sich derweil vor der Schule mit dem Polizei-Einsatzleiter an und fordert ihn auf, auch die Spinne zu schnappen. Der bleibt allerdings unbeeindruckt: „Die Spinne hilft uns ja!“ Sie will nun den Staubbehälter übergeben, zögert jedoch: Wenn sie dem Polizeichef und Jameson gegenübertritt, wird sie vielleicht demaskiert. Deshalb räumt sie lieber das Feld.

Der Sandmann ist so schnell unschädlich gemacht, daß Peter doch noch seine Verabredung mit Liz einhalten könnte. Die zeigt ihm nun aber die kalte Schulter. Flash spottet, und Peter ist schon nahe daran, ihm eine Abreibung zu verpassen; da fällt ihm ein, daß er Flash dabei ernsthaft verletzen könnte, und gibt klein bei. In diesem Heft taucht übrigens Jamesons Sekretärin Betty Brant erstmals richtig auf. Sie muß ihrem Chef eine neue Hose besorgen, weil er durch die Netzflüssigkeit der Spinne an seinem Stuhl festklebt – ein kleiner Streich, den sich Peter erlaubt hat. Denn Jameson erweist sich nun erstmals als knauserig. Peters Begegnung mit Betty ist jedenfalls kurz. Aber wir wissen ja: Sie wird seine erste große Liebe werden.

Lee und Ditko führen hier nicht nur einige Handlungselemente ein, die in der Folge noch wichtig werden (oder bleiben). Sie bringen auch mehrere überraschende Wendungen in der Story unter (ich habe gar nicht alle genannt), die diese frühe Geschichte durchaus zu einem Lesevergnügen machen. Zwischen Action- und Soap-Elementen besteht eine gelungene Balance.

Auf der Splashpage werden die Leser darüber informiert, daß sie die Spinne schon nach fünf Heften zu einem der beliebtesten und bekanntesten Superhelden gemacht haben. Das ist eindeutig eine Botschaft an die US-Leser. In Deutschland läuft die Serie (berücksichtigt man die HIT-Comics) schon seit acht Jahren. Aber die Mitteilung paßt der Williams-Redaktion durchaus in den Kram. Es wäre wohl zuviel verlangt, deren Herkunft klar zu kennzeichnen.

Gekürzt wurde diesmal eine Submariner-Seite, ein ganzseitiges Panel, das Prinz Namor auf dem Thron zeigt. Um das mal zu erwähnen: Auch Zeichner Gene Colan ist bei dieser Serie noch ein gutes Stück von seiner Bestform entfernt.
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