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Alt 23.05.2005, 11:23   #3  
euha
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Na, da paßt doch ein Bericht aus Spiegel Online von heute (23.5.) dazu:

SPIEGEL ONLINE - 23. Mai 2005, 08:48
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,357057,00.html
Wall Street

Disney-Eisners letzter Coup

Von Marc Pitzke, New York

Der abservierte Disney-Chef Michael Eisner macht seinen Aktionären noch ein Abschiedsgeschenk - und erfüllt sich einen alten Traum: Er belebt die Muppets neu. Kermit & Co., die Disney voriges Jahr still erworben hat, sollen die künftigen Mega-Stars des Micky-Maus-Konzerns werden.

New York - Michael Eisner, der scheidende Disney-Chef, geht bekanntlich nur widerwillig in Pension. Gestürzt über sein eigenes Ego und den Unmut seiner Aktionäre, bleibt ihm nicht mehr viel zu tun, bevor er Ende September den Stab an Nachfolger Robert Iger abgibt, den bisherigen Disney-Präsidenten. Einen Traum will sich der abservierte Noch-CEO bis dahin allerdings erfüllen - etwas, wie er sagt, "was ich seit 40 Jahren versuche".

Nun wird der alte Traum des Micky-Maus-Milliardärs wahr: Eisner lässt die Muppets wieder auferstehen. Kermit, Miss Piggy, Fozzie-Bär und das Krümelmonster, teils über 40 Jahre alt und meist längst im verdienten Ruhestand, feiern in den USA ein schrilles Comeback. Und wie immer bei Eisners Geistesblitzen hat der zweite Frühling der Plüschpuppen weniger mit Spiel und Spaß zu tun als mit großem Geld.

Eisner lässt die Puppen tanzen: Eine bittersüße Abschiedsgabe des entmachteten Disney-Königs an seine Aktionäre. Als wolle er ihnen, via Miss Piggys Ferkelschnauze, noch einmal klar machen, welches Genie sie an ihm verlören: Die Muppets sollen "Disneys kreative Ressourcen und weltweite Vertriebsplattformen in Schwung bringen" - also "Fernsehen, Film, Musik, Theaterstücke und Themenparks".

Eisners ewige Obsession

Der Auftakt der jüngsten Muppets-Manie fand am vorigen Donnerstag statt, mit perfektem Timing: Da hatte auf dem Disney-Network ABC der erste neue Muppet-Film seit 1999 Premiere, mitten in den "Sweeps", jenen vier Wochen, in denen die amerikanischen TV-Sender ihre Quartalsquoten messen und so Werbekunden für die nächste Saison ködern. "The Muppets' Wizard of Oz" ist eine Kalauer-Version des Judy-Garland-Klassikers "Der Zauberer von Oz", mit Kermit als der Vogelscheuche, Pop-Göre Ashanti als Dorothy, Queen Latifah als Tante Em und natürlich Miss Piggy - multi-talentiert, als alle vier Hexen.

Zur Premierenfeier hatte Disney zuvor alle Register gezogen: Eine VIP-Gala am Rande des Tribeca Film Festivals in New York. Da stand Kermit nebst Robert De Niro auf der Bühne und knödelte: "Wenn du im Sumpf aufwächst, erwartest du nicht, eines Tages hier zu enden."

Oder andersrum, muss sich der steil gefallene Eisner gedacht haben. Dessen Obsession mit den Muppets ist so alt wie die ewige Affäre von Kermit und Miss Piggy. "Ich war immer überzeugt, dass es nur drei echte Charaktere gibt, die einen dauerhaften Unterhaltungswert haben", sagte Eisner dem "Wall Street Journal": "Micky, Winnie und Kermit." Doch nur zwei davon besaß er - bis zum vorigen Jahr.

Reality TV mit Kermit und Piggy

Ironie der Geschichte: Eisner und Muppet-Vater Jim Henson hatten sich schon 1990 auf einen Verkauf der Puppenwerkstatt geeinigt. Doch am Tag der Vertragsunterzeichnung starb Henson, und die Muppets traten eine lange Odyssee durch die Firmenflure an. Zwischenzeitlich landete die Jim Henson Co., samt Muppets und Sesamstraße, auch mal beim deutschen Medienunternehmen EM.TV . Erst im Februar 2004 konnte Eisner den Henson-Erben die abgehalfterte Truppe wieder abkaufen - für schlappe 75 Millionen Dollar.

Der "Oz"-Film ist der strategische Anker dessen, was sie bei Disney einen "Soft Relaunch" nennen: eine sanfte Neu-Erfindung der gesamten Muppets-Marke - nicht nur für Kinder, sondern neuerdings auch für Erwachsene. "Dies ist eine Franchise", sagt Chris Curtin, der Chef der Disney-Tochter Muppets Holding Co., "die letztendlich die meisten Altersgruppen ansprechen wird."

Vorbereitet wird das seit einiger Zeit bereits mit "Gastauftritten" der klassischen, fast schon angestaubten Muppets im US-Fernsehen - und zwar bewusst in werbeträchtigen Sendungen für reiferes Publikum. So sang Kermit in der Sketch-Kultshow Saturday Night Live ein Duett mit Robert De Niro und stieg für einen TV-Spot auf ein BMW-Motorrad. Derweil ließ sich Miss Piggy von einem Modemagazin in Prada ablichten, das Krümelmonster plapperte plötzlich von Diät-Keksen und Elmo debattierte in der Sesamstraße mit Senatorin Hillary Clinton.



DPA
Kermit und Miss Piggy: Lukrative Verbinbung
Im Sommer sollen völlig neu gestylte, hippe Merchandising-Produkte sowie weitere TV-Sendungen folgen. So wagen sich auch die Muppets ins Reality TV, mit America's Next Muppet, einem Schönheitswettbewerb um die neueste Muppet-Figur. Eine andere Idee, die Disney aber noch unter der Decke hält, ist eine Show, in der sich echte Puppenspieler um einen Job bei den Muppets bewerben, und die Jury besteht nicht aus Kollegen, sondern aus Muppets. Im September dann gibt die US-Post Muppet-Briefmarken heraus: 13 mit den bekanntesten Muppets, eine mit Jim Henson.

Neue Geschmacksgrenzen antesten

Hinter der Muppets-Renaissance steckt, neben Eisner als treibender Kraft, der kreative Kopf von Martin Baker. Baker, einer der engsten Freunde des verstorbenen Henson, der seit 1979 mit den Muppets arbeitet, wurde von Disney kürzlich als Chef-Berater angeheuert, um "das unvergleichliche Talentpotential der Muppets auszuweiten". Baker soll das alte Henson-Studio mit frischem Personal und lukrativen Ideen beleben und damit auch "den wachsenden internationalen Bedarf stillen".

Doch der "Soft Relaunch" ist nach Informationen des "Wall Street Journals" nur die Ouvertüre zur zweiten Phase, dem "Hard Relaunch" - einem Disney-typischen, massiven Frontalangriff der Muppets auf die amerikanische Entertainment-, Werbe- und Merchandising-Szene: ein Kinofilm (2007), ein Broadway-Musical (à la "König der Löwen"), Vergnügungspark-Attraktionen, TV-Specials und möglicherweise sogar auch eine Wiederauferstehung der Muppet Show.

Disney hofft, dass die Muppets ab 2009 pro Jahr mindestens 300 Millionen Dollar Umsatz in die Konzernkasse schaufeln, durch Massenware wie T-Shirts, Baseballmützen, Bücher, Stoffpuppen und andere Spielzeuge. Die einst jugendfreien Kuscheltiere sollen dabei notfalls auch neue Geschmacksgrenzen antesten. Wenig sei dann mehr tabu - bis auf eines, versichert Eisner zum Abgang: "Sie werden sich aus Politik und Religion raushalten."
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