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Alt 26.04.2018, 21:05   #91  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 17

Erscheinungstermin: 9/1974

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 15
2) Tales to Astonish # 88

Story-Titel:
1) Memrod der Jäger!
2) Ein Fremder aus dem All schlägt zu!

Original-Storytitel:
1) Kraven the Hunter!
2) A Stranger strikes from Space

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Bill Everett

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Das war meine allererste „Spinne“-Ausgabe. Wenn sie mir nicht gefallen hätte, würde ich heute wohl kaum darüber schreiben. Ich vermute, daß es eine spontane Entscheidung war, das Heft zu kaufen. Aber das Cover übt durchaus eine kauffördernde Wirkung aus: Die Titelfigur ist im Vordergrund, verstrickt in ein Netz, und ihr ziemlich exotisch kostümierter Gegner stürmt bedrohlich auf sie zu. Stan Lee schreibt eine kurze Einführung, die wie für mich gemacht scheint: „Für alle Leser, die während der letzten Jahre in einer anderen Galaxie gelebt haben, erklären wir, daß dies die Spinne ist…“ Remo schreibt auch wieder ein Editorial, aber dazu später.

Wir sehen die Spinne kopfüber an einer Hauswand hängen und von oben in ein Zimmer blicken, in dem gerade ein Gangster-Treffen stattfindet. Ich bekenne frei: Sowas hatte ich noch nie gesehen. Drei der Gangster gehen ihr ins Netz, ein vierter bringt sich durch einen Sprung aus dem Fenster in Sicherheit (was den Spinnensinnen überraschenderweise völlig entgeht). Der Mann färbt blitzschnell seinen Anzug um und verwandelt sich mit ein paar Utensilien in einen harmlosen Greis. Es handelt sich um das Chamäleon (siehe „Spinne“ # 3). Seine Aufgabe besteht freilich nur darin, einen neuen Gegner für die Spinne aufzutreiben. Eigentlich ist die Figur für die Story unnötig, aber sie erlaubt einen unkonventionellen Einstieg, bei dem die Spinne sowohl spektakulär inszeniert als auch düpiert wird.

Das Chamäleon bestellt Memrod, den Jäger, nach New York. Er ist Großwildjäger, allerdings ohne Jagdgewehr; er tritt auf wie der große Zampano und fängt passenderweise gerade ausgebrochene wilde Tiere allein mit Körperkraft und Geschicklichkeit wieder ein. Die Spinne braucht nicht einzugreifen. Nach getaner Arbeit verkündigt Memrod, die Jagdbeute, die ihm in seiner Trophäensammlung noch fehlt, ist die Spinne. Er bereitet sich auf diese Jagd minutiös vor und beobachtet zunächst das Kampfverhalten des Wandkletterers. Kurz darauf treffen Memrod und seine Beute aufeinander. Dabei zertrümmert er der Spinne beinahe die Schulter und verabreicht ihr anschließend ein Betäubungsmittel. Die Spinne flieht. Am nächsten Morgen fühlt sich Peter Parker besser, aber seine Hände zittern noch von dem Schlag auf die Schulter.

Kurz darauf lauert Memrod der Spinne auf. Durch ein Double (gegeben vom Chamäleon) lockt er sie an und verpaßt ihr Eisenmanschetten am rechten Arm und Bein, die sich gegenseitig anziehen und die Spinne stark behindern. Sie bringt sich in Sicherheit und schaltet die Manschetten durch Netzflüssigkeit aus. Dann macht sie einfach Memrod per Spinnensignal zum Gejagten. Kopflos rennt er in ein aufgespanntes Netz. Das war’s. Memrod und das Chamäleon werden verhaftet und müssen per Schiff die USA verlassen. Der Kurs ist Südamerika, Memrod will aber in den Kongo – dieser kleine Widerspruch ist mir beim ersten Lesen wahrscheinlich entgangen.

Jameson spielt in dieser Ausgabe seine übliche Rolle; Betty wird erstmals richtig eifersüchtig auf Liz Allen und macht Peter eine Szene. Später – als sie wohl ihr „Frauengold“ genommen hat – entschuldigt sie sich bei ihm für ihr schlechtes Benehmen. Außerdem wird in dieser Episode erstmals eine Nichte von Tante Mays Freundin Mrs. Watson erwähnt (also Mary-Jane Watson), die Peter mal treffen soll. Nachdem er mit Betty und Liz genug Ärger hat, ist er froh, daß sie das Date wegen Kopfschmerzen absagt. Aber nun haben Betty und Liz beide keine Zeit…

Diese Story läßt zwar an Folgerichtigkeit und Einfallsreichtum zu wünschen übrig, aber das wird durch einzelne starke Motive ziemlich geschickt überdeckt: Der wirklich zirkusreife Auftritt von Memrod, seine Planung, bevor er die Jagd auf die Spinne eröffnet, die originellen Hilfsmittel, mit denen er seinem Gegner Handicaps verpaßt. Daß Memrod keine Superkräfte besitzt und der Spinne damit klar unterlegen ist, kommt erst am Ende zum Tragen. Das ist einer der Widersprüche in der Story. Sehr amüsant finde ich (auch heute noch) Peters Probleme mit den Frauen, die ihm umschwärmen. Man sieht, daß er mit Liebesgeschichten noch ziemlich unerfahren ist, fragt sich aber auch, was die Damen so toll an ihm finden (wegen Betty hat er immerhin gegen Doktor Octopus gekämpft, aber der Sinneswandel von Liz ist eigentlich unerklärt, und was Mary-Jane von ihm will, wird – wie sie selbst – absichtlich noch im Dunkeln gelassen).

Im Editorial preist Remo das nächste Preisausschreiben an (so sollen die Fans bei Laune gehalten werden). Außerdem philosophiert er ein wenig über den Sinn von Comics. Kurz gefaßt: Sie sind „nur Unterhaltung“, aber da er überzeugt ist, daß sie den Machern Spaß machen, ist es ja nur logisch, daß sie auch den Lesern gefallen müssen. Entweder wollte Remo eigentlich etwas ganz anderes sagen, oder er hat Mühe, seinen schlichten Gedanken die Anmutung von Tiefsinn zu verleihen. Dazu paßt auch die Einsendung von Leserin (!) Ursula Schüller aus Aachen: „Wer Marvel nicht kennt, der pennt!“ In meinen Augen haben die redaktionellen Beiträge seit den ersten Ausgaben deutlich an Aussagekraft und Esprit eingebüßt. Wenn ich mich recht erinnere, ist Remo auch nicht viel länger dabei geblieben.

Interessanterweise habe ich das Heft zwar geschätzt, aber die Geschichte nie zu imitieren versucht. Hauptsächlich bei den „Rächern“, weniger bei „Thor“ habe ich damals viel abgepaust – das waren offenbar aus meiner damaligen Sicht Superheldenstorys, wie sie sein sollen. Bis ich mit # 71 richtig einstieg, habe ich auch kaum „Spinne“-Hefte gekauft, nur durch die Superbände bekam ich ein bißchen mit, was sich dort so tat.
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