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Alt 05.03.2019, 21:54   #541  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 122

Erscheinungstermin: 10/1978

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 121
2) Mighty Thor # 142

Story-Titel:
1) Die Nacht, in der Gwen Stacy starb!
2) ohne Titel (Die Geißel des Super-Skrull!)

Original-Storytitel:
1) The Night Gwen Stacy died
2) The Scourge of the Super-Skrull!

Zeichnungen:
1) Gil Kane / John Romita / Tony Mortellaro
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Gerry Conway
2) Stan Lee



Dieses Erlebnis habe ich sicher hier irgendwo schon mal erzählt. Nachdem ich die Marvels seit der 35. Produktion so gut wie lückenlos gelesen hatte, konnte ich dieses Heft am Kiosk nicht finden. Ich klapperte noch drei bis vier weitere Verkaufsstellen in meiner Heimatstadt ab – nirgendwo war das Heft zu bekommen, die „FV“ und die „Rächer“ dagegen schon. Ich war noch zu jung, um mich mit den Kioskbetreibern darüber zu unterhalten, was da los war. Es blieb für mich ein Rätsel. „Spinne“ # 123 gab es dann zwei Wochen später wieder, so daß mich der Schock über den Tod von Gwen Stacy etwas zeitverzögert traf. Die vorliegende Ausgabe habe ich nicht sehr viel, aber doch ein paar Jahre später auf dem Flohmarkt gekauft.

In den Credits ist diesmal alles in Ordnung; es fällt nur auf, daß Redakteur Roy Thomas durch Kirsten Isele ersetzt ist, was ja seine Berechtigung hat. Der Erzähltext auf der Splashpage raunt, daß der Titel der Story noch nicht genannt werden kann. Die Story selbst ist alles in allem bemerkenswert simpel. Man kann sie in wenigen Worten nacherzählen: Norman Osborn dreht durch, als sein Sohn Harry wieder der Drogensucht verfällt. Er wird zum Grünen Kobold, will endlich mit Peter Parker abrechnen, aber findet in seinem Apartment Gwen Stacy und entführt sie. Als die Spinne den Kobold auf der Brooklyn Bridge stellt, stürzt Gwen beim Kampf vom Brückenpfeiler. Die Spinne kann sie zwar mit ihrem Netz auffangen, aber sie hat sich das Genick gebrochen. Der Grüne Kobold triumphiert. Am Ende wird der Titel eingeblendet: „Die Nacht, in der Gwen Stacy starb“. Die Story ist gut, möglicherweise gerade deshalb, weil sie so simpel ist.

Es steckt viel Psychologie drin, wenn auch eine Groschenroman-Psychologie. Zu Beginn sehen wir Gwen und Mary-Jane an Harrys Krankenbett – und die Spinne, die von außen durchs Fenster blickt. Der Doktor ist da; er sagt, Harry müßte wegen LSD-Mißbrauchs eigentlich ins Krankenhaus, aber Norman Osborn läßt das nicht zu. Peter zieht sich um und eilt ebenfalls zu Harry. Norman fängt ihn jedoch ab und weist ihm die Tür. Er gibt Peter die Schuld daran, daß sein Sohn in so jämmerlichem Zustand ist. Auch Gwen und MJ müssen gehen. Wir sehen aber noch, daß Norman weitere Probleme hat. Der Aktienkurs seines Unternehmens fällt; ihm droht der Ruin. Peter liefert seine Kanada-Fotos vom Hulk beim Daily Bugle ab. Dabei stellt sich heraus, daß er wieder mal an einer Grippe laboriert. Während er als Spinne nach Hause schwingt, verliert Norman Osborn endgültig die Kontrolle über sich und wird zum Grünen Kobold. Wir sehen, wie er auf das Fenster zusteuert, hinter dem Gwen auf Peter wartet.

Als die Spinne kurz darauf eintrifft, ist sein Apartment auf den Kopf gestellt. Gwen ist weg. Als Visitenkarte hat der Kobold eine seiner Kürbisbomben zurückgelassen. Die Spinne nimmt unverzüglich die Verfolgung auf und findet den Kobold schon nach kurzer Zeit auf der Brücke (die auch im Original fälschlich als George-Washington-Brücke bezeichnet wird). Sie ist durch ihre Grippe gehandicapt, aber soweit ich sehe, ist das ein eigentlich überflüssiges Detail. Die Spinne kämpft nicht schlechter gegen den Kobold, als wenn sie fit wäre. Trotzdem: Während sie die offenbar bewußtlose Gwen von der Brücke zu holen versucht, taucht ihr Gegner wieder auf und schubst Gwen im Vorbeiknattern von dem Brückenturm. Die Spinne rettet sie und merkt nicht sofort, aber doch ziemlich schnell, daß Gwen tot ist. Sie schwört dem Kobold, wohl im Affekt, ihn umzubringen.

Schön, man kann über ein paar Aspekte der Handlung nachdenken: Wie kommt Norman Osborn darauf, daß Peter und seine Freunde an der Drogensucht seines Sohnes schuld sein könnten? Naja, es ist zwar nicht so, aber auch nicht völlig abwegig. Warum ist Gwen bewußtlos, als sie vom Kobold entführt ist? Ist sie vor Schreck in Ohnmacht gefallen, oder hat er etwas mit ihr gemacht, wovon wir nichts wissen? Dann ist da die Sache mit der Spinnen-Grippe, die für den Handlungsablauf gar nicht nötig ist. Aber insgesamt ist das eine sehr klar aufgebaute, dramaturgisch makellose Geschichte. Alle werden von Gwens Tod überrascht – mir ging es in noch etwas höherem Maß so, weil ich unvermittelt mit der toten Gwen in den Armen der Spinne konfrontiert wurde. Aber Conway hat den Ablauf der Ereignisse schon richtig, also sehr wirkungsvoll erzählt. Die Zeichnungen sind auch sehr gut. Nur der Druck läßt wieder mal zu wünschen übrig; zumindest auf einem Teil der Seiten sind die schwarzen Linien zu fett.

Nebenbei: Das Cover ist ebenfalls gut gelungen. Es bringt zum Ausdruck, daß jemand aus Peter Parkers engstem Bekanntenkreis sterben wird, verrät aber nicht, wer. An Gwen hätte ich wohl nicht gedacht, eher an Tante May, vielleicht mit etwas Überlegen an Harry Osborn. Es ist keine Szene, die im Heft vorkommt, aber das halte ich in diesem Fall für verzeihlich. Die Redaktion fügt extra den dubiosen Hinweis an: „Kein Trick!“ Ich habe übrigens nochmal einen Blick auf die Vorschauseite geworfen; da wird der US-Titel verraten: „The Night Gwen Stacy died“. Das habe ich aber damals offenbar überlesen.

Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:46 Uhr)
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