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Alt 27.11.2023, 20:41   #8009  
God_W.
Captain Rezi
 
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Blueberry – Collector’s Edition 1



Inhalt:
- Fort Navajo
- Aufruhr im Westen
- Der Einsame Adler

In letzter Zeit hatte ich mal wieder Lust auf Western, habe so mach älteres und jüngeres Werk filmischen Schaffens aus diesem von mir so geliebten Genre konsumiert, und irgendwann habe ich es dann gewagt – ich habe meinen ersten „Blueberry“ aus den tiefen meines Lese-K2 zu Tage gefördert. Manchmal traue ich mich an solche legendären Klassiker nicht so recht ran, da hat man Respekt vor dem Namen und dem Ruf, und was ist, wenn mir das Ganze dann gar nicht gefällt?

Da konnte ich aber schnell Entwarnung geben, gefallen hat mir die Lektüre dieser ersten drei Alben um den etwas disziplinlosen Leutnant insgesamt ziemlich gut, das phänomenale Nonplusultra im Western-Genre war es für mich an der Stelle allerdings (noch?) nicht. Dazu aber später mehr.

Im ersten Album, Fort Navajo“, lernen wir unseren späteren Helden erstmal als vermeintlichen Taugenichts kennen, ist er doch offensichtlich Falschspieler, dem Alkohol nicht abgeneigt und mit Regeln und Befehlen nimmt er es auch nicht so genau. Dass er im Grunde aber von einem klaren Gerechtigkeitssinn beseelt ist und das vor Mut strotzende Herz am rechten Fleck trägt, erfahren wir bereits in dieser ersten Geschichte, in welcher er seinen Freund Graig nicht nur kennenlernt, sondern auch gleich vor einer Dummheit bewahren muss. Denn der will todesmutig die Apachen verfolgen, die vermeintlichen Mörder an unschuldigen Siedlern, die auch noch deren Sohn entführt haben sollen. Natürlich ist alles ganz anders, als zuerst angenommen, aber ein rassistischer und vom Hass zerfressener Major hat nichts anderes zu tun, als einen Krieg mit den Indianern vom Zaun zu brechen.

Das führt uns zu „Aufruhr im Westen“, der nahtlos anschließenden Fortsetzung, in der die Friedensverhandlungen mit den in Wahrheit unschuldigen Ureinwohnern aufgrund eben dieses Majors scheitern. Die Missachtung der Befehle seines nach einem Schlangenbiss im Delirium liegenden Vorgesetzten, führt zum Verrat an den Häuptlingen und so zum Zusammenschluss der stolzen Stämme, die eine Armee gegen die verlogenen Bleichgesichter zusammenstellen. Blueberry versucht sein Bestes, das zu verhindern, doch das bis aufs Blut beschämte Halbblut Crowe wurde dermaßen beleidigt und gereizt, dass er unseren Helden erstmal schachmatt setzt.

Fort Navajo ist verloren, doch Blueberry und Crowe ist es gelungen den entführten Jungen aus den Händen der echten Entführer in Mexico zu befreien! Jetzt kommt der Leutnant nach Fort Quitman, von wo aus er einen Waffen-Trek durch gefährliches Feindesland zum Oberbefehlshaber der Truppen bringen soll. Die Waffen sind für den Krieg gegen die Apachen, doch Blueberrys Plan ist es, den General davon zu überzeugen, die Friedensverhandlungen mit Häuptling Cochise wieder aufzunehmen. Auf dem gefährlichen Weg dorthin soll ihm der Indianer-Scout Quanah zur Seite stehen, doch der spielt ein gefährliches Spiel…

Das waren also die ersten drei Blueberry-Alben. Für mich gab es da ganz viel Licht, aber auch etwas schattigere Regionen sag ich mal. Zuerst einmal hat mir die Story durchweg gut gefallen. Die bietet zwar nichts Neues oder Unerwartetes, denn das hat man alles schon mal gesehen, und zumindest auf der Leinwand hatte man das auch damals zur Entstehung schon alles miterleben können, aber die Mixtur des Ganzen, die Variationen und die Abwandlungen der bekannten Zutaten ist Charlier wirklich gut gelungen. Vor allem haben mich die nahtlosen Übergänge und die Weiterführung der Story über mehrere Alben begeistert, das fühlte sich nach jedem Album so an, als müsse ich direkt weiterlesen, was ich in Kürze auch mit dem zweiten Sammelband tun werde. Auch die Entstehung und sich nach und nach verfestigende Freundschaft zwischen Blueberry und Graig fühlen sich einfach so an, als hätte so kommen müssen und sollen, einwandfrei.

Optisch ist Giraud die Umsetzung im Großen und Ganzen ebenfalls sehr gut gelungen, aber „ewige Meisterwerke“ oder Ähnliches sehe ich da nicht. Ja, Pferde in Action gelingen ihm immer super, die Landschaften passen auch, wenn auch nicht die ganz großen Augenöffner dabei sind, und auch die Personen gehen insgesamt klar. Die gehen aber eben nur klar, sind meines Erachtens nicht herausragend. Gerade Blueberry, dem ja Belmondo Pate stand, sieht eben nur ab und an wie Belmondo aus, dann mal wieder recht lange nicht, das ist nicht durchgehend stringent, aber vielleicht wird das ja noch besser.

Erzählerisch ist die Geschichte an sich durchweg unterhaltend und streckenweise richtig spannend. Die Darreichungsform, also der Text selbst, ist aber klar ein Kind seiner Zeit. Es wird deutlich zu viel erklärt und zu viel wiedergekäut, um auch ja jedem begreiflich zu machen, was passiert und niemanden ratlos zurückzulassen. Das mag am Zielpublikum liegen, welches damals vermutlich zumindest teilweise noch etwas jünger war, das war aber zu der Zeit damals auch einfach Gang und Gäbe, da wurde dem Leser nicht allzu viel Mitdenken und selbst entdecken, was geschieht zugetraut. Das störte mich jetzt nicht allzu sehr, weil ich ja gerne mal Klassiker lese und das dort oft der Fall ist, aber erwähnt haben wollte ich es schon. Störender fand ich da eher die doch recht klamaukigen Einlagen, die gerade zu Beginn noch öfter auftraten. Später hat das dann zum Glück nachgelassen, denn für einen „Funny“ ist die Grundstory einfach viel zu ernst.

Das Bonusmaterial fand ich toll und informativ. Es ist auch äußerst unterhaltsam zu erfahren, wie sich damals nach und nach eine Art „Club“ mit all den heute großen Namen entwickelt hat. Die hingen ja fast alle irgendwie zusammen, diese ganzen franko-belgischen Größen der Comic-Kunst, das vermittelt ein tolles Flair.

Also ja, prima Westernunterhaltung, aber für mich jetzt im ersten Zug noch kein unerreichbar meisterlicher Klassiker im Western-Olymp.

7/10

VG, God_W.
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