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Alt 21.09.2019, 10:54   #4352  
michidiers
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Traumnovelle





von Jacob Hinrichs und Arthur Schnitzler


Die vorliegende Graphic Novel ist eine Adaption der gleichnamigen Novelle des österreichischen Schriftstellers Arthur Schnitzler aus dem Jahre 1925.
Klappentext: Im Mittelpunkt von Schnitzlers „Traumnovelle“ stehen der Arzt Fridolin und seine Ehefrau Albertine. Erzählt werden ihre sonderbaren, erotisch aufgeladenen Erlebnisse einer Nacht und des darauffolgenden Tages: Fridolin streift ziellos durch die nächtlichen Straßen Wiens und erfährt zufällig von einem geheimen Maskenball. Er besorgt sich ein Mönchskostüm und begibt sich dorthin. Eine geheimnisvoll maskierte Frau warnt ihn schon bald nach seiner Ankunft und mahnt ihn, schnell zu verschwinden. Doch Fridolin ist entschlossen zu bleiben, fasziniert von dem wilden und bizarren Treiben um ihn herum. Er gerät in einen Strudel aus bizarrer Erotik, Gefahr, Phantasie und Illusion. Jedoch auch seine Frau Albertine entdeckt in sich erotische Sehnsüchte, die die beiden sich schließlich eingestehen. Phantastisch und traumhaft beschreibt Schnitzler die Entdeckung von verborgenen Begierden eines Ehepaars.

Seit ich die Traumnovelle vor vielen Jahren als Pflichtlektüre in der Schule lesen „musste“, bin ich von ihr begeistert und freue mich jedes Mal, wenn die zeitlose Geschichte einmal wieder neu adaptiert wurde.
So konnte ich mich sogar 1999 – im Gegensatz zu diversen Filmkritikern - über Stanley Kubricks Verfilmung „Eyes Wide Shut“ mit Nicole Kidman und Tom Cruise freuen.



Ebenso habe ich die alte S/W-Verfilmung von 1969 mit Karl Hein Böhm gesehen und schon einige Theaterfassungen davon miterleben können. Ungewöhnlich, aber äußerst spannend und nicht minder faszinierend ist auch die Version als erotischer SM-Roman der Autorin Edyta Zaborowska mit dem Titel „Entdeckung der Dominanz“. Die Autorin verlegt dabei der Ort der Handlung nach Cornwall auf das Landgut „Black Swan Manor“, wo der Maskenball aus dem Original pikanterweise zu einem Fetischball in einem Dominastudio wird:



Jakob Hinrichs ebenso sehr gelungene Umsetzung als Comic hält sich über weite Strecken eng an der Originalhandlung, setzt sie zeitlich aber in keinen Kontext. Die Geschichte könnte 1925, in der Gegenwart oder auch in der Zukunft spielen. Er weicht dabei mitunter textlich vom Original ab, bzw. reduziert den Text auf ein absolutes Mindestmaß, lässt dafür viel durch seine ausgefallene Zeichenarbeit sprechen. Seine Bebilderung ist symbolhaft und eine surreal-bunte Mischung aus Retro, Art Deco und Pop Art, die aber narrativ stets nachvollziehbar bleibt und nicht verwirrend ist.



Offenbar stehe ich mit meiner Begeisterung für die Traumnovelle nicht alleine. Sigmund Freud war davon so beeindruckt, dass er an Schnitzler schrieb: „So habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie durch Intuition – eigentlich aber in Folge feiner Selbstwahrnehmung – alles das wissen, was ich in mühseliger Arbeit an anderen Menschen aufgedeckt habe.“
Einzig nachteilig ist die Tatsache, dass die -96- Comicseiten sehr schnell gelesen sind. Wem das nicht genug ist, der kann bis Seite -158- den Originaltext Schnitzlers aus dem Jahre 1925 lesen. Die Graphic Novel in Papierform ist leider schon längst vergriffen, jedoch ist das e-book dazu für 0,00 Euro für Prime Mitglieder bei einem großen „Anbieter“ zu haben.
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