Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 05.04.2021, 21:05   #753  
God_W.
Captain Rezi
 
Benutzerbild von God_W.
 
Ort: Nähe Aschaffenburg
Beiträge: 19.005
Kürzlich beendet:



Was für ein wundervolles Buch zum schwelgen und sich verlieren in der ostafrikanischen Weite. Erwartet hatte ich ehrlich gesagt etwas ganz Anderes, deutlich schnulzigeres und mit einer Liebesschnulze durchsetzt, doch weit gefehlt. Ein episodenhaft erzähltes Zeitkolorit bei dem man nicht unbedingt eine durchgehende, spannende oder fesselnde Geschichte erwarten sollte. Vielmehr wird man in eine Zeit und Welt entführt, die gerade zu damaliger Zeit (das Buch stammt aus den 30ern des vergangenen Jahrhunderts) exotisch, mystisch und unbekannt wirkte.

Zimperlich was gewisse Ausdrücke angeht sollte man natürlich nicht sein, wenn man das Buch liest, denn auch wenn die Autorin Tania Blixen (auch Karen Blixen oder Isak Dinesen) sicherlich keine Rassistin war, so war die damalige Weltanschauung einfach eine gänzlich Andere. Frau Blixen hat eine besondere, spannende Sichtweise auf viele Dinge. So wirkt ihr Standpunkt zwar oftmals wie der einer Sympathisantin, die das Wesen der Eingeborenen und ihre Kultur versteht, oft genug wird aber auch die typische Weltanschauung der Westeuropäer oder Kolonialisten herausgekehrt.

Dabei wechselt sie in ihren teilbiografischen Schilderungen oft ganz unvermittelt von nüchtern, sachlich und fast schon erschreckend, hin zu romantisch verklärend. Das macht die Lektüre ungemein abwechslungsreich und vermittelt einen faszinierenden Blick auf die damalige Welt im Afrika der Kolonialzeit. Sicher nicht so kritisch wie man das heutzutage sehen möchte, aber auch nicht so schwarz-weiß-malerisch wie damals Gang und Gäbe. Dadurch wirkt alles sehr "echt" und nachvollziehbar, und ständig wurden bei mir andere Gefühle geweckt. Freude, Faszination, Unverständnis, sich geborgen fühlen, schockiert sein, Zorn, Hoffnung, Verzweiflung und ganz viel Fernweh.

Der Manesse Verlag hat mit seinen vielen erläuternden Anmerkungen im Glossar und dem gelungenen Nachwort wieder hervorragende Arbeit geleistet. Das hilft auch ungemein bei der Einordnung, wie manche Dinge zu nehmen sind (und bei der Zuordnung der vielen Literaturzitate, bei denen ich abgesehen von Homer und Shakespeare mal wieder ziemlich planlos war). Dieses wunderschöne Buch hat vollkommen zurecht den Weg in die "Bibliothek der Weltliteratur" gefunden.

Die Verfilmung mit Meryl Streep muss ich mir demnächst auch mal besorgen.
God_W. ist gerade online   Mit Zitat antworten