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Alt 25.11.2015, 20:09   #24  
Servalan
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Standard Giovanni Boccaccio: Il Decamerone (1348/1349-1353)

Diverse Ausgaben in deutschsprachigen Verlagen: Fischer TB, Artemis & Winkler, Anaconda, Dörfler, Reclam
Fassung in modernisiertem Italienisch in der Reihe Emozioni senza tempo (Fermento), alte Fassung in der Reihe Einaudi tascabili Classici (Einaudi)
https://de.wikipedia.org/wiki/Decamerone
http://www.klassiker-der-weltliterat...decamerone.htm
https://www.lernhelfer.de/schuelerle...ikel/decameron
http://www.mein-italien.info/literatur/decamerone.htm
https://it.wikipedia.org/wiki/Decameron
http://www.letteraturaitaliana.net/p...ume_2/t318.pdf (Italienisches Original, 896 Seiten)

Im Mittelalter wurde Literatur nach anderen Kriterien beurteilt als heutzutage: Als Klassiker galten ausschließlich antike Werke, die häufig aus dem Arabischen zurückübersetzt worden waren.
Weite Teile der Bevölkerung konnten weder lesen noch schreiben, denn meist stand das blanke Überleben im Vordergrund. Klöster und die Höfe von Fürsten oder Klerikern bildeten ein winziges Refugium der höheren Stände, die genügend Freiheiten besaßen, sich mit solchen Dingen zu unterhalten.

Der Name der Rose fängt jene Umbruchszeit ein, in der sich italienischen Stadtstaaten, die häufig miteinander verfeindet waren, das entwickelt, was wir heute unter Literatur begreifen. Das höchste Ansehen genoß eine Lyrik, die nach strengen Mustern entstand; auf die Prosa wurde verächtlich herabgesehen. Latein oder Griechisch besaßen eine Autorität, die der Umgangssprache des gemeinen Volkes, der Bauern und Fischer, der Händler und Handwerker, fehlte.
Die ersten großen Dichtungen im Volgare (dem damaligen Straßen-Italienisch) markieren einen deutlichen Bruch. Bis in unsere Tage prägen drei Namen den Aufbruch der europäischen Literatur:
  • Dante Alighieri (1265-1321) eiferte den antiken Versepen von Homer, Ovid und Vergil nach. Seine Divina Commedia (oder Commedia, deutsch Die Göttliche Komödie, 1307-1321) schildert die Reise eines etwa 40 Jahre alten Mannes durch Hölle und Fegefeuer ins Paradies.
  • Francesco Petrarca (1304-1374), den andere als ersten Bergsteiger und Begründer des Alpinismus kennen, faßt die Liebe zu seiner unerreichbaren Laura in 366 Gedichte (darunter 317 Sonette) - den Canzoniere (im Original Francisci Petrarchae laureati poetae Rerum vulgarium fragmenta, 1336-1374)
  • Giovanni Boccaccio (1313-1375) schildert in seinem Zyklus aus 100 Novellen (nichts anderes bedeutet der Titel) das alltägliche Leben aus unterschiedlichen Facetten. Im Vergleich zu Dante und Petrarca ist er lebendig und realistisch, außerdem schreibt er in Prosa.
1348 verheert die Pest, der Schwarze Tod, weite Teile Europa. Weil sich die Leute in Städten besonders leicht mit der tödlichen Krankheit anstecken, flieht aufs Land, wer sich das leisten kann.
In Florenz sind das sieben adlige Frauen, denen sich drei Männer anschließen (die Dienerschaft wird zwar mitgedacht, spielt aber keine große Rolle).
Damit das Warten auf der selbst gewählten Quarantänestation nicht zu langweilig wird, erzählen sich die Flüchtlinge nach einem strengen Rhythmus Geschichten.
Jeden Tag wird eine "Königin des Tages" oder ein "König des Tages" gewählt, der ein Thema vorgibt und die Runde moderiert. Dann plaudert jede und jeder der Reihe nach aus dem Nähkästchen.
Die Novellen erstrecken sich über diverse Genres: Für fast jeden Geschmack ist etwas dabei - phantastische und erotische Novellen, Wundergeschichten, Räuberpistolen, Verwechslungskomödien und historische Schlüsselanekdoten.

Aus der Wikipedia:
Zitat:
Wirkungsgeschichte

Bereits die Grammatiker und Rhetoriker der Renaissance waren der Ansicht, dass Boccaccios Dekameron ein Meisterwerk sei. Der Autor wurde zusammen mit Dante und Francesco Petrarca zum Wegbereiter und Vorbild für die eigenen Bestrebungen. Heute gilt das Dekameron unbestritten als Ursprung der italienischen Prosa überhaupt und als ein Werk, das die Weltliteratur nachhaltig beeinflusst hat. So wurde die Novellensammlung unter anderen von Geoffrey Chaucer (Canterbury Tales), Margarete von Navarra (Heptaméron), Miguel de Cervantes (Novelas ejemplares), François Rabelais und zahlreichen, heute nicht mehr so bekannten Autoren nachgeahmt. Johann Wolfgang von Goethe schätzte das Werk sehr und deutschte den Namen Boccaccios in Boccaz ein. Die Romantiker würdigten ebenfalls die Novellensammlung besonders und wurden zu eigenen Werken angeregt, so zum Beispiel Honoré de Balzac mit seinen im späten Mittelalter spielenden Tolldreisten Geschichten. Stoffe einzelner Erzählungen benützten William Shakespeare (Cymbeline und Ende gut, alles gut), Hans Sachs und Jonathan Swift. Die Figur des Melchisedech und das Motiv der drei Ringe, die nicht mehr zu unterscheiden sind (I.3), liegt der Ringparabel in Gotthold Ephraim Lessings Drama Nathan der Weise zugrunde.
In meinem alten Deutsch-Schulbuch gab es die "Falkennovelle" (9. Novelle des 5. Tages).
Als Diogenes eine Taschenbuch-Kassette herausbrachte, habe ich sie mir "wegen der erotischen Stellen" gewünscht. Von meinen Eltern hatte ich nichts zu befürchten: Mit Weltliteratur konnten die nichts anfangen. Und verglichen mit den Kioskauslagen der 1970er Jahre waren besagte Stellen keusch und züchtig.
Gelesen habe ich den Schmöker trotzdem gerne.
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