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Alt 09.12.2019, 22:49   #77  
black hole
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Ort: Nordwestpfälzer Bergland (dort, wo sich Has' und Fuchs "Gute Nacht" sagen)
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Ich hab jetzt hier noch nicht alles durchgeackert, und die Serie wurde vielleicht schon erwähnt, aber ich muss trotzdem meine absolute Empfehlung für The Handmaid's Tale aussprechen.

Beklemmend ist - denke ich - das beste Adjektiv, um diese Serie zu beschreiben.

Ich habe jetzt die dritte Staffel durch und das Niveau ist immer noch auf dem Level der ersten Staffel, welche direkt auf dem Inhalt des Romans von Margaret Atwood basierte (dt. Titel: Der Report der Magd [Piper]):

In einer (sehr) nahen Zukunft, in der aufgrund von Umweltschäden immer weniger Frauen Kinder bekommen können, wurden die USA ersetzt durch die totalitäre, theokratische Diktatur Gilead, deren Gesellschaft strengen, hauptsächlich aus dem Alten Testament abgeleiteten Regeln, unterworfen ist. Gebährfähige Frauen (die Mägde = Handmaids) werden den Haushalten der, in dieser Gesellschaft am höchsten gestellten, sogenannten Kommandanten und deren Frauen zugeteilt. In einer, alle vier Wochen stattfindenden "Zeremonie", werden die Mägde von "ihren" Kommandanten, im Beisein derer Frauen, vergewaltigt. Bekommen sie daraufhin ein Kind, wird es ihnen weggenommen und die Kommandantenfrauen ziehen diese Kinder als ihre eigenen groß. Nicht gebährfähige Frauen (abgesehen von den Frauen der Kommandanten), die in dieser strengen Hierarchie ganz unten stehen, müssen als Dienstmädchen (sogenannte Marthas) in den Kommandanten-Haushalten schuften. Jeder, der sich nicht in dieses System einfügt oder hineinpasst (z.B. Aufsässige und Andersgläubige = "Ketzer" oder Homosexuelle = "Geschlechtsverräter"), wird grausam bestraft: Man hängt sie sichtbar für alle, öffentlich auf oder man schickt sie in die sog. Kolonien, wo sie, ohne Schutzkleidung, nuklear verseuchte Erde abtragen müssen. Widerspenstige Handmaids werden, da man sie noch als "Gebärmaschinen" benötigt, bestraft, indem man ihnen die Augen aussticht oder ihnen Gliedmaßen amputiert ("Eine Magd muss nicht sehen können, um ein Kind zu gebären," so die lapidare Meinung einer der sogenannten "Tanten", welche ebenfalls recht hochstehende Frauen sind, die für die "Ausbildung" und Betreuung der Mägde zuständig sind).

Neben Orwells 1984 ist das die für mich eindringlichste und erschreckendste Dystopie, die ich kenne (und ich kenne einige), denn nichts in dieser Serie wirkt, als ob es nicht auch genauso irgendwann wahr werden könnte. Kein Wunder eigentlich, da sich Atwood für ihren Roman nur von Begebenheiten inspirieren ließ, die es tatsächlich gab: Die rassistische Ideologie, die Eugenik und das Lebensborn-Projekt der Nazis, die Spitzel-Systeme in den ehemaligen Ostblock-Staaten (Atwood lebte 1984 in West-Berlin und bereiste u.a. die DDR und CSSR), die Islamische Revolution 1979 im Iran, die Hexenprozesse von Salem im Jahr 1692 etc.

Was ich heute durch Zufall erfahren hab: Es gibt eine auf dem Roman basierende Graphic Novel (The Handmaid's Tale - The Graphic Novel [Nan A. Talese/Knopf Doubleday]), die auch vor kurzem auf deutsch erschienen ist (Der Report der Magd - Graphic Novel von Renée Nault [Berlin Verlag/Piper]. Die werd ich mir selbst zu Weihnachten schenken.
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