Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 30.12.2011, 13:55   #1827  
michidiers
Mitglied
 
Benutzerbild von michidiers
 
Ort: Oldenburg
Beiträge: 3.055
So, hust..., ich muss einmal kurz unterbrechen mit einer neuen Review:

Jessica Blandy Sammelband 1

von Renaud/Dufaux




Der Band enthält die ersten drei Alben aus der 24-teiligen Serie Jessica Blandy von dem franco-belgischen Comicteam Renaud/Dufaux aus den 80er Jahren.

Jessica Blandy ist schön, erotisch, verführerisch, vermögend und eine erfolgreiche Schriftstellerin. Sie bewohnt eine moderne Villa direkt am Strand an der Westküste der USA und düst mit einem historischen Ferrari über die Highways. Durch ihre Arbeit als Schriftstellerin hat sie weitläufige Verbindungen in die High Society der USA.

Eine schöne Welt ist auf den ersten Blick, die da um die Westküstenschönheit aufgebaut worden ist. Das war mein erster Eindruck, als ich mir die ersten Panels der Story angeschaut hatte. Das war aber nur der erste Blick. Kratzt man nur etwas an der Oberfläche in dieser Welt der Reichen und Schönen, eröffnen sich darunter die dunklen Abgründe eines vollkommen anderen Amerikas. Und die Abgründe sind tief, verdammt tief. Kaum wähnt man sich als Leser in einer heilen Welt, so stürzt man auf der folgenden Seite in ein tiefes Loch voller Gewalt und Perversitäten.

So entwickeln sich die abgeschlossenen Storys „Enola Gay“ und „Garden of Evil“ schon nach wenigen Seiten zu einem klassischen Thriller, der in Spannung und Dramatik nicht den Vergleich zu den Klassikern dieses Genres zu scheuen braucht. Jean Dufaux versteht es, einen Spannungsbogen aufzubauen, der so faszinierte, dass ich diesen Band fast schon verschlang. Ich kann mich kaum an einen Comic erinnern, der mich in seiner Spannung so gefesselt hat. Während in „Enola Gay“ alte US-gesellschaftliche Wunden aus dem Vietnamkrieg wieder aufreißen, spielt „Garden of Evil“ in den Tiefen der Sümpfe von Florida, dort wo noch heute von der Außenwelt abgeschnittene Gesellschaften ihr krankes Dasein fristen.

Jessica Blandy wird ein Opfer dieser Parallelwelt werden und in die Tiefen der menschlichen Abgründe stürzen. All ihr Geld, Designerkostüme und Schönheit sind in diesem dunklen Amerika dann nichts mehr wert, nur noch der Willen um das nackte Überleben, Intelligenz und Kaltblütigkeit wird ihr Handeln bestimmen. Und auch Jessica wird gezwungen sein, ein Teil dieser Schmutzigen Welt zu werden, um darin zu überleben.

Der Zeichner Renaud setzt den mit einem akribisch genauen Zeichenstift in Szene, der auch die kleinsten Details realistisch erfasst. Tankstellen, Landschaften, Fahrzeuge, Hintergründe, alles ist genau und mit viel Präzision gearbeitet, ohne offensichtliche Hilfe aus dem PC. Sichtlich seinen Spaß hat er an der Darstellung der Hauptakteurin Jessica Blandy. Sie und die anderen Frauen und Männer sind erotisch, werden aber nicht billig zum sexualisierten Objekt degradiert. Weniger ist da mehr.

Fazit nach Band 1: Das war ein Seitenfresser der Sonderklasse voller faszinierender Figuren, den man nicht weglegen kann. Und die selbstbewusste Jessica Blandy ist ein erotischer 80er-„Eyecatcher“ ohnegleichen. Die attraktiv-laszive Femme Fatale hätte wohl 90% aller männlichen Leser, und kaum weniger weibliche Leserinnen, ohne groß zu überlegen zum Traualtar geführt (wenn sie die Möglichkeit hätten).
michidiers ist offline   Mit Zitat antworten