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Alt 16.01.2022, 15:15   #121  
Servalan
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Werk ohne Autor | Never Look Away (Deutschland 2018, Pergamon Film, Wiedemann & Berg Filmproduktion, ARD Degeto und Bayerischer Rundfunk), Drehbuch: Florian Henckel von Donnersmarck nach Ein Maler aus Deutschland. Gerhard Richter. Das Drama einer Familie von Jürgen Schreiber, Regie: Florian Henckel von Donnersmarck, 188 min, FSK: 12, JMK: 12

Der deutsch-österreichische Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Florian Henckel von Donnersmarck machte schon mit seinen Kurzfilmen an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF München) auf sich aufmerksam. Einem größeren Publikum wurde er durch seinen ersten Langfilm Das Leben der Anderen bekannt, seinem Abschlußfilm an der HFF München, ein historisches Gesellschaftsdrama über die Stasi und das DDR-Künstlermilieu, der 2006 neben dem Deutschen Filmpreis, dem Bayerischen Filmpreis und dem Europäische Filmpreis mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde. Mit 2,3 Millionen Besuchern war der Film ein kommerzieller Erfolg, wurde jedoch von einigen Kritikern als "cineastisches Armutszeugnis" abgetan. Die geschichtliche Faktentreue wurde bemängelt, sowohl das Filmbuch im Suhrkamp-Verlag als auch DVD litten unter einem Rechtsstreit.
Sein zweiter Langfilm, das Thriller-Remake The Tourist 2010 war mit seinem Einspielergebnis von 278 Millionen US-Dollar zwar ein Kassenerfolg, fiel jedoch bei der Kritik durch.

Sein dritter Langfilm Werk ohne Autor funktioniert ähnlich wie Das Leben der Anderen und orientiert sich am historischen Vorbild von - wieder mal - Gerhard Richter (Jahrgang 1932). Desweiteren wird auf seine Weggefärten Sigmar Polke (Jahrgang 1941), Günther Uecker (Jahrgang 1930, Barnerts Ateliernachbar Günter Preusser) oder Joseph Beuys (1921 - 1986, Barnerts Professor Antonius van Verten) angespielt. Richter fand schon den Trailer "zu reißerisch" und mag den Film überhaupt nicht.
Werk ohne Autor war bundesweit wie im Ausland wieder ein Kassenerfolg, lief bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig im Wettbewerb um den Goldenen Löwen, den Hauptpreis des Festivals, und wurde als deutscher Beitrag für die Oscarverleihung 2019 eingereicht.

Als Hintergrundfolie der Filmbiographie dienen die drei politischen Systeme der deutschen Vergangenheit: Der Film beginnt 1937 mit einen Besuch des fünfjährigen Kurt Barnert in der Wanderausstellung Entartete Kunst in Dresden und führt dann als weitere Etappen über Barnerts Job in einem Betrieb als Schilder- und Plakatmaler in einem SED-Propagandaatelier. Dort wird das künstlerische Talent des hoffnungslos unterforderten Barnert erkannt. Als Vertreter der Arbeiterschaft darf er an der Dresdener Kunstakademie Malerei studieren, allerdings lehren die Professoren dort den Sozialistischen Realismus, womit Barnert so gar nicht zurechtkommt.
Wenige Monate vor dem Mauerbau flieht er mit seiner Frau Elisabeth, die an der Akademie Mode- und Textilgestaltung studiert hat, über West-Berlin in die Bundesrepublik. Weil er immer noch seinen künstlerischen Weg sucht, pickt er sich die beste Kunsthochschule heraus und landet trotz seines höheren Alters an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort ändert sich gerade der Kunstbegriff, was Barnert fasziniert.
Nachdem er lange orientierungslos gearbeitet hat, wird ein Zeitungsfoto plötzlich zum Auslöser für eine Serie fotorealischer Zeichnungen in Schwarzweiß, denen er allmählich eine Unschärfe verleiht. Ein Studienkollege organisiert für Barnert eine Einzelausstellung in der Kunsthalle Wuppertal, die ihm die lang ersehnte künstlerische Anerkennung einbringt. Die Kritik reduziert seinen Ansatz auf ein despektierliches Werk ohne Autor, was Barnert nicht schert, weil er sich in der Pressekonferenz nicht auf autobiographische Verkürzungen einlassen will.

Als europäischer Film nutzt Henckel von Donnersmarck das historische Werk für etliche freizügige Szenen eines lebenslustigen Künstlers, ohne großartig Publikum zu verlieren, während er in den USA deswegen sicher X-rated ist.

Geändert von Servalan (28.03.2024 um 13:02 Uhr)
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