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Alt 07.07.2017, 14:44   #202  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Natürlich wäre erst die Nummer 56, Alfred Nobel, an der Reihe. Aber aus bestimmten Gründen ziehe ich das folgende Heft vor:


Nummer 57


Die Guillotine regiert, Die französische Revolution







Die Französische Revolution von 1789 ist nicht aus dem Nichts entstanden, mehrere Gründe führten zu dieser Explosion des Volkes. Bereits seit längerer Zeit litt das Volk – die bäuerliche Bevölkerung machte um die vier Fünftel der gesamten Einwohnerschaft aus – unter der Willkür der ersten beiden Stände, des Adels und des Klerus. Außerdem beeinflusste die sogenannte >>Kleine Eiszeit<< (16te bis 18te Jahrhundert) sehr negativ die Umwelt. Extrem lange Winter sorgten für Missernten, die aber in ihren Auswirkungen (Ernteausfälle) den Adel und den Klerus nicht weiter betrafen. Eines der Hauptnahrungsmittel, das Brot, wurde dagegen knapper und verteuerte sich vor allem für die städtischen Bewohner so stark, dass sie schon rund die Hälfte ihres Einkommens dafür ausgeben mussten, sofern Brot überhaupt verfügbar war.

Dazu war der Staat Pleite, was wiederum im Flottenneubau Ludwig XVI und an der Beteiligung des Staates am amerikanischen Unabhängigkeitskampf lag (und an der Verschwendungssucht der herrschenden Clique). Der König beabsichtigte England wirtschaftlich und politisch zu schwächen, in dem er den Amerikanern zu Hilfe kam. Dass er damit Erfolg hatte, war schon richtig, aber neben den Kosten bekamen die französischen Soldaten mit, dass hier eine Revolution stattfand, in der das Volk ohne Adel und Klerus gegen einen König putschte. Sie brachten diese Ideen mit ins Mutterland und verbreiteten deren Botschaften im Volke.






Das ging dann soweit, dass Ludwig allerhand an politischen Misshandlungen seiner >>von Gott gesandten<< Person zu ertragen hatte. Allerdings nicht nur er, auch der Adel wurde – durch die Guillotine – fast abgeschafft. Der Klerus kam etwas glimpflicher davon, musste aber auf alle Güter und Privilegien verzichten, die Trennung von Staat und Kirche war in Frankreich als erstem neuzeitlichen europäischen Staat geglückt. Der 4/5 August 1789 beendete den ständestaatlich organisierten Staat, auch als ersten in Europa. Ende des Monats wurde zudem folgende Erklärung verabschiedet, die mit den Worten: „Von ihrer Geburt an sind und bleiben die Menschen fei und an ihren Rechten einander gleich“ beginnt. Fast unnötig zu sagen, dass der damalige Papst, Pius VI, diese Proklamation als „gottlos“ bezeichnete.






Allerdings lief die Revolution dann fast aus dem Ruder, sie fraß ihre Kinder, wie Pierre Vergniaud, einer der Führer der >>Girondisten<<, feststellte. Immerhin fraß sich die Guillotine durch Massen an Verdächtigen, so dass selbst deren scharfes Messer ständig erneuert werden musste. Zum Schluss sorgte ein General für Ordnung, krönte sich zum Kaiser und versuchte die Herrschaft über die damals bekannte – europäische – Welt zu erlangen. Die Grundprinzipien der Revolution aber blieben bestehen und überdauerten auch die Restauration, die nach der Endgültigen Niederlage Napoleons wieder zu den alten Verhältnissen zurück zu kehren versuchte. Die Ideen der Freiheit und der Gleichheit ließen sich nicht mehr aus den Köpfen der Menschen entfernen: wir müssen allerdings auch heute noch dafür sorgen und kämpfen, dass wir nicht erneut Obrigkeitshörig oder dazu verführt werden.

Wie wurden diese Ereignisse im Heft Nummer 57 der „Abenteuer der Weltgeschichte“ behandelt: Als erstes ist mir aufgefallen, dass, Zitat „der König (Ludwig XVI) viele Vorzüge besaß, arbeitsam, voller guter Absichten war, ein gutes Gedächtnis besaß und mit anderen Völkern in Frieden lebte.“ Was brauchte er dann eine neue Flotte, weshalb schickte er seine Soldaten in die 13 Kolonien. Auch, Zitat: „leitete er seine Regierungszeit mit dem größten Fehler ein, er rief das grade abgeschaffte Parlament wieder ein.“ In diesem saßen die 3 Stände, Adel, Klerus, Bevölkerung und nicht entsprechend seiner tatsächlichen Bevölkerungszahl, sondern zahlenmäßig paritätisch. Somit waren die ersten beiden Stände bei jeder Abstimmung so und so überlegen. Nun taten sich allerdings alle Stände zusammen und versuchten, trotz Gegenbefehls des Königs, eine Nationalversammlung einzuberufen. Dem Texter des Heftes gefiel dies gar nicht, er glaubte sogar zu wissen, dass Frankreich nun in einem völligen Durcheinander versinkt, Zitat: „Schmuggler, Diebe und Landstreicher kommen aus dem Schatten hervor, in dem sie bisher gelebt haben. Vor allem ziehen die Arbeitslosen und Hungrigen nach Paris. Truppen werden aus anderen Orten nach Paris geholt. Aber die Regierung ordnet an, dass sie sich jeder Gewaltanwendung zu enthalten haben. SO KANN MAN NATÜRLICH KEINE REVOLUTION AUFHALTEN:“ Mit anderen, meinen Worten: „Der Autor verstand die Welt, bzw. den König nicht mehr, dieses Gesindel hätte zermalmt werden müssen!

So zieht sich der Inhalt dieses Heftes bis zum Ende durch, egal wer, die sich gegen den guten König und seinem Regime auflehnen, sind, Zitat: „Verbrecher, Pöbel, vom Morden berauschte Menge, betrunkene und tobende Weiber, usw.“ Das Pariser Stadtgefängnis, die Bastille, ist das nächste Ziel der Revolutionäre und Neugierigen. Mühsam zerstören sie die Zugbrücke, dringen ein, befreien Gefangene, die Soldaten verweigern dem Kommandanten den Gehorsam und entgegen dem Versprechen der Revolutionäre wird dieser geköpft und sein Haupt auf einer Lanze gesteckt durch die Gegend getragen. Also, die Zugbrücke wurde tatsächlich heruntergelassen, die Menschen konnten ungehindert in den Vorhof eindringen, aber der Kommandant lies nun das Feuer eröffnen, was rund 100 Menschen das Leben kostete. Erst als die Stadtverordneten ihrerseits Kanonen auffahren ließen, kapitulierte der Kommandant und verlor jetzt tatsächlich seinen Kopf. Das mit dem Zuerst-Schiessen wurde im Text nicht erwähnt, würde zum bisher geschilderten Regime auch nicht passen.

„Dem König wird mehr und mehr die Macht aus den Händen genommen. Er darf schließlich nur die Wünsche und Befehle der Verfassungsgebenden Versammlung ausführen. Ludwig fühlt sich seiner Vorrechte als König beraubt und erniedrigt.“ Woher er die wohl hat? Er flieht natürlich, Richtung Österreichische Niederlande (Belgien) um von dort mit einer Streitmacht zurück zu kehren, damit seine Vorrechte wieder erneuert werden. Davon wird allerdings im Heft nichts erwähnt. Jedenfalls wird er angeklagt, vor allem, nach dem man in einem seiner Geheimverstecke kompromittierende Schriftstücke zu finden geglaubt hat (hier würde ich vielleicht an der Geschichtsschreibung ein klein wenig insofern zweifeln, ob man dann nicht diese „Beweise“ platziert hat; aber auch davon ist im Heft vorsichtshalber nicht die Rede).

Anschließend folgen noch ein paar Seiten über die Gräuel der losgelassenen Revolutionäre, Marat, Danton und Robespierre seien hier genannt. Die (Comic-) Geschichte endet auf der letzten Seite mit einem Happy end in Person Napoleons: „Nun tritt auch ein Mann immer stärker in das strahlende Licht des Weltruhms, Napoleon Bonaparte. Ordnung kehrt in Städte und Dörfer Frankreichs wieder ein. Jetzt finden sich alle zusammen im Kampf gegen den von außen anstürmenden Feind. Nach unsagbar viel Blutvergießen kann der Henker das Fallbeil hochbinden. Die Guillotine hat ausregiert.“ Auch hier stimmt so gut wie nichts, Napoleon wird ein blutrünstiger Monarch, der bedenkenlos Kriege führt, bestimmt mehr Menschen dadurch umbringt und mehr Not und Elend über die von ihm >>beglückten<< Völker bringt, als alle Gräuel der Revolutionäre zusammen. Und selbst das „Rasiermesser der Nation“ hat nicht ausgedient, das geschah erst am 10 September 1977, als ein Zuhälter und Mörder in Marseille mit dem Fallbeil hingerichtet wurde. Zur Laufzeit der „Abenteuer der Weltgeschichte“ war es noch voll in Aktion.
Was brachte nun die Revolution? Ein Resümee damaliges lautet: „Diese Revolutionsdiktatur ist, wie sie sich schließlich gestaltete, an sich selbst zusammengebrochen, aber es war ihr Werk, dass nach ihr das Alte, welches sie endgültig hinweggefegt hatte, nicht mehr wiederkehren konnte.“ Dem wäre kaum etwas hinzuzufügen.

Was präsentierte dazu das Heft der Serie, und was wäre mein Resümee: „Kaum ein Inhalt aus dieser Reihe hat mich so enttäuscht, der Texter hat der Monarchie hinterher geheult, die Aufständischen waren für ihn nur Mob, Pöbel, Plünderer, die Herrschenden hatten ihre Vorrechte schließlich von einer höheren Macht auf ewig übertragen bekommen und nutzten diese nur zum Wohl des unwissenden Volkes – eher zu ihrem eigenen Wohlgefallen aus.“ Durch Fortlassen unangenehmer Aussagen zu seiner favorisierten Klasse folgen Verdrehungen von Tatsachen, Glorifizierungen und schlichtweg Unwahrheiten. So ist hier eine fragwürdige und einseitige Geschichtsdarstellung entstanden – schade!

Auf der Seite 3 beginnt ein dreiseitiger Bericht über die damaligen – Hungerverhältnisse – in Paris. Dieser ist recht objektiv, wie mir scheint.

Die Vorschau geht bis zum Heft 62, die Nachbestellliste fängt beim Heft 18 (Der Schatz des Ministers, Duell in Frankreich [!] ) an.

Auf der letzten Umschlagseite sehen wir im Rahmen der Peligom-Alleskleber-Reklame einen sogenannten >>Bastille-Stürmer 1789>>. Der ist, wie das ganze Heft natürlich, von Bood gezeichnet und sieht schon recht ungewöhnlich aus.

Geändert von Detlef Lorenz (08.07.2017 um 23:09 Uhr)
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