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Alt 07.10.2018, 15:47   #347  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 69

Erscheinungstermin: 10/1976

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 68
2) Journey into Mystery # 116

Story-Titel:
1) Unruhe an der Uni!
2) ohne Titel (Zweikampf der Götter!)

Original-Storytitel:
1) Crisis on Campus!
2) The Trial of the Gods!

Zeichnungen:
1) John Romita / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Es wird spannend für mich. Hier beginnt der Mehrteiler, den ich zwei Ausgaben später dann auch mitgelesen habe; wie schon erwähnt, stieg ich mit „Spinne“ # 71 endgültig in die Serie ein und verfolgte sie bis zu ihrer Einstellung. Mein Eindruck der „Spinne“ rührte zu dieser Zeit von Heften aus dem 30er oder 40er Nummernbereich her. Das war nun etwas ziemlich anderes. Dabei spielte die Mitwirkung des Inkers Jim Mooney eine wichtige Rolle, was das Artwork von John Romita nicht abwerten soll. Aber neu ist auch, daß Stan Lee hier eine Handlung eröffnet, die sich über acht Ausgaben hinziehen wird. Kein Wunder, daß ich dranblieb.

Wie mag das in der zweiten Jahreshälfte 1968 gewesen sein, als dieser Comic in USA produziert wurde? Lee hatte zwei Grundmotive, von denen er wohl nur eins aufs Cover bringen konnte. Zum einen taucht Kingpin wieder auf; er ist mit Hilfe von Spezialisten hinter einer antiken Tontafel her, deren Geheimnis wir noch nicht erfahren. Zum anderen macht Lee eine superhelden-untypische Erscheinung zum Thema: die Studentenproteste, die 1968 die Menschen in den USA ziemlich aufgeschreckt haben müssen. Offenbar so sehr, daß Kingpin (zunächst) vom Cover verbannt wird. Die außer Rand und Band geratenen Studenten waren wohl spannender.

Die Studentenproteste stehen aber nicht am Beginn; davon war ja andeutungsweise im vorigen Heft schon etwas zu sehen. Zuerst blicken wir in die Unterwelt-Zentrale des Kingpin. Der betrachtet ein Bild der erwähnten Tontafel und läßt sich von einem Experten namens Wilson darüber informieren. Auf ihr eingraviert: „das größte Geheimnis aller Zeiten“. Unzählige Männer seien ihretwegen gestorben, fügt Wilson hinzu, aber sie sei noch nicht entziffert. (Woher weiß er also, daß das nicht bloß ein frühgeschichtlicher Einkaufszettel ist?) Und: die Spinne werde aufpassen, daß sie nicht geklaut wird. Kingpin wird wütend und vermöbelt erstmal sechs seiner Leibwächter.

Nun zurück an die Uni. Geschickt knüpft Lee eine Verbindung: Hier ist die Tafel gerade ausgestellt. Das Gebäude soll nach dieser Präsentation zur Luxusherberge für Ehemalige werden. Die Studenten wollen dagegen, daß hier Unterkünfte für Bedürftige entstehen. Darüber wird Peter Parker von einem Mini-Malcolm X namens Josh und Joe Robertsons Sohn Randy aufgeklärt. Die Studenten wollen auf die Straße gehen und ihre Forderung durchdrücken. Peter hat allerdings „keine Zeit“ mitzumarschieren.

Während vor der Halle eine Demo stattfindet, nutzt Kingpin die allgemeine Aufregung, sich die Tafel unter den Nagel zu reißen. Weil er Randy bedroht, verwandelt sich Peter in die Spinne. Als die Studenten mit ihren Protestplakaten auftauchten, wollten die Wachen bereits mit Waffengewalt vorgehen. Kingpin setzt sie nun mit Betäubungsgas außer Gefecht und will mit der Tafel unterm Arm abhauen. Die Spinne stellt sich ihm in den Weg, aber mit einem Energiestoß aus seinem Spazierstock bringt Kingpin eine Wand zum Einsturz, und die Spinne muß alle Kräfte aufbieten, damit Randy nicht erschlagen wird. Der Kingpin kann vorerst fliehen.

Man merkt beim Lesen, daß es noch keine großen Erfahrungen mit dem Umgang mit Demonstrationen gibt. Die Polizisten sind schnell bei der Hand, überhart zu reagieren. Andererseits war die Demo offenbar nicht angemeldet. Stan Lee rückt sie in die Nähe des Verbrechens, denn so hat Kingpin leichtes Spiel mit der Tafel. Es fällt auch auf, daß Peter Parker geflissentlich nicht in Verbindung mit den Studentenprotesten gebracht wird. Und seltsam: die Rädelsführer (wenn ich sie mal so nennen darf) sind Schwarze. Der Gesamteindruck: eine Demonstration wird im Graubereich zu Straftaten angesiedelt – weil das in USA damals wohl allgemeine Meinung war.

Abgesehen von den zeitbedingten Besonderheiten wird das alles recht spannend erzählt. Nebenbei geht die Versöhnung von Peter und Gwen weiter. Nachdem Norman Osborn von der Bühne abgetreten ist, baut Lee in einer Szene einen Gegensatz zwischen Jonah Jameson und Joe Robertson auf. Robertson verteidigt Peter Parker, der vom Kampf der Spinne gegen Mysterio wieder mal keine Fotos geliefert hat, und sorgt sich um seinen Sohn Randy. Am Ende beteuert er die Unschuld der Studenten, die nun erstmal in den Knast wandern (wegen des Diebstahls der Tafel, nicht primär wegen der Demo – immerhin).

Marken-Paul hat doch noch nicht das Feld geräumt. Nun ersetzt seine Mini-Anzeige wieder die größere der Sea-Monkeys. Anscheinend hatte Williams Spielräume, die Anzeigen über den Monat verteilt zu platzieren. Die Checkliste wird nicht geopfert. Es gibt auch wieder die Monatsvorschau auf dem Backcover. Sonst fehlen aber redaktionelle Seiten in diesem Heft.

P.S.: Zum ersten Mal entdecke ich auf dem Cover eine Romita-Signatur - etwas versteckt auf einem Protestplakat.
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