Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 07.05.2018, 23:43   #104  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.474
Die Spinne (Williams) 21

Erscheinungstermin: 10/1974

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 19
2) Tales to Astonish # 91

Story-Titel:
1) Die Spinne schlägt zurück
2) Vor den Toren lauert der Tod!

Original-Storytitel:
1) Spidey strikes back!
2) Outside the Gates waits Death!

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Bill Everett / Dan Adkins

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Daß „Spinne“ # 20 eine aus dem Rahmen fallende Ausgabe war, wird jetzt unterstrichen, denn all die Superhelden-Bataillen, auf die Lee und Ditko verzichteten, werden nun nachgeholt. Zwei Dinge sind mir besonders aufgefallen: Die Begegnungen und Konflikte im Leben von Peter Parker laufen nun nicht mehr so klischeehaft ab wie bisher. Aber der Kampf der Spinne im Bündnis mit der menschlichen Fackel gegen Sandmann und die Vollstrecker wird nicht mal ansatzweise irgendwie hergeleitet oder begründet, sondern findet statt wie ein Fußball-Bundesliga-Spiel: Es ist angesetzt, es geht über die Bühne. Insgesamt eine recht unterhaltsame Episode, auch wenn mich Peter Parkers Privatleben mehr interessiert als seine Auseinandersetzung mit irgendwelchen Supergegnern, die gerade in der Gegend sind.

In der letzten Ausgabe war die Spinne kaum in Erscheinung getreten, war sogar vor ihren Feinden zurückgewichen, weil die kranke Tante May wichtiger war. Erwartungen an Superheldencomics waren unterlaufen worden – dabei ist offenbar auch Lee und Ditko mulmig geworden. Nun wird Action im Übermaß angekündigt, das, was die Fans womöglich vermißt haben. Die Spinne nimmt sich ein paar Bankräuber vor, die sie eben auf frischer Tat ertappt hat. Sie merken als erste, daß Jamesons Behauptung, die Spinne sei ein Feigling, nicht ganz stimmt. Hübsch: Der Zeitungsverleger schickt sich gerade an, dazu einen Vortrag zu halten, da wird ihm die Nachricht überbracht. Er verschwindet durch die Hintertür.

Die Fackel, erschöpft auf dem Heimweg ins Baxter Building, geht den Vollstreckern in die Falle. Der Sandmann ist bei ihnen und erstickt am Ende ihre Flammen. Da hören sie, daß die Spinne wieder auf Verbrecherjagd ist. Kurz darauf hat sie ihren Unterschlupf schon entdeckt und nimmt den Kampf auf, der aber nach kurzer Zeit unterbrochen wird, weil Polizisten das Versteck stürmen. Daß ihr Kumpel Fackel in der Gewalt der Vollstrecker ist, erfährt die Spinne vorerst nicht. Kurz darauf quetscht sie aber einen Unterweltler aus, der es ihr bereitwillig erzählt.

Eine Falle? Das ist letztlich für alle Beteiligten egal, denn die Spinne stöbert Sandmann und die Vollstrecker in einem alten Lagerhaus auf, stürzt sich erneut in den Kampf und befreit die Fackel. Nur weil sich beide im Spinnennetz verheddern, kann Sandmann türmen, wird aber kurz darauf von zwei Polizisten überwältigt. Wie zu Beginn die Fackel ist auch er nun zu fertig, um die Polizisten niederringen zu können. So weit, so gut. Man merkt, die Story bildet nur ein dürres Gerüst für eine Menge Kampfszenen – das war ja zu Beginn schon angekündigt worden.

Szenen aus dem Privatleben von Peter Parker sind diesmal wieder nur eingestreut, aber – wie erwähnt – nicht mehr so schematisch angelegt wie in früheren Ausgaben. Flash bekommt von Liz mal wieder einen Korb und streitet sich darauf ein wenig mit Peter herum. Der zeigt hier deutlich, daß er vor Flash keine Angst hat. Betty stellt Peter ihren Bekannten Ned Leeds vor; mit ihm will sie Peter eifersüchtig machen. Der reagiert aber erstmal ziemlich cool. Jonah hat nun wieder gewohnt schlechte Laune, staucht seine Belegschaft zusammen und wirft Peter aus der Redaktion.

Bei den letzten Ausgaben habe ich es nicht extra erwähnt, aber Williams kürzt die „Spider-Man“-Story seit einigen Ausgaben jeweils um zwei Seiten. Diesmal werden einfach die letzten beiden Seiten weggelassen, die zeigen, wie Peter Jonah Fotos vom Kampf der Spinne gegen die Vollstrecker verkauft und anschließend von einem Gangstertyp beschattet wird; ein Verbrecherboß, dessen Gesicht man nicht sehen kann, kommt auch noch ins Bild. Das ist so etwas wie ein Vorspiel zur nächsten Ausgabe und beinahe schon ein Cliffhanger. Früher hat Williams eher bei der Action gekürzt als an Stellen, wo die Geschichte vorangetrieben wird. Vielleicht hat man gezögert, das wegzulassen, was groß angekündigt wird: Action.

Wie man gesehen hat, wird hier gar nicht versucht, eine sinnvolle Handlung zu konstruieren. Abgesehen von ein paar kleinen Nebenhandlungen sehen wir, wie die Spinne und die Fackel auf Sandmann und die Vollstrecker treffen und sie besiegen – nicht mehr und nicht weniger. Aber das macht sich nicht negativ bemerkbar. Abgesehen davon, daß das reines Lesefutter ist, stört mich an der Episode wenig. Tiefergehendes, Nachdenkliches, Überraschendes sucht man freilich vergeblich.

Wiederum gibt es ein Editorial von Remo. Er klagt über den wenigen Platz, der ihm zur Verfügung steht. Tatsächlich scheint es aber so zu sein, daß ein Editorial geschrieben werden muß und er kein gescheites Thema hat. Also beschreibt er, wie bei Marvel Comics produziert werden – die besondere Arbeitsteilung zwischen Autor und Zeichner. Allgemein ist das recht laiengerecht erklärt, nur setzt er den Begriff „Redakteur“ voraus – der hat mir als Kind garantiert nichts gesagt. Wie in den „Items“ auf der US-Redaktionsseite (mit „Stan’s Soapbox“) werden kurze Nachrichten zu einzelnen Serien und Mitteilungen an die Leser ergänzt. Eine weitere Seite ist dem Thema Handlettering gewidmet; hier werden die Leser aufgefordert, einmal selbst eine Comicseite zu lettern, um zu erleben, wie viel Arbeit das ist (nachvollziehbar, da Lettering in deutschen Comics sonst völlig unüblich war). Und es gibt auch wieder eine Leserbriefseite; interessanterweise nehmen Schreiber auf andere Leserbriefe Bezug, und nach wie vor wird viel mit den HIT-Comics verglichen.
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten