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Alt 07.01.2011, 15:03   #1385  
michidiers
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Black Hole
von Charles Burns



Der Schauplatz ist ein Vorort einer Großstadt im Norden der USA. Das Leben der Teens und Twens dreht sich um Pubertät, Liebe, Sex, Träume und Drogen. Unbemerkt von Eltern und Lehrern hüten die Teens aber ein schreckliches Geheimnis. Es ist unter Ihnen eine ansteckende Krankheit ausgebrochen, die durch sexuellen Kontakt übertragen wird. Sie lässt willkürlich Körperteile deformieren, Gesichter entstellen, Pusteln und Warzen entstehen oder sogar Schwänze wachsen.


Auf 368 Seiten erzählt der amerikanische Autor Charles Burns die zugetragenen Ereignisse in einem Sommer eines Jahres in den 70ern und zeigt damit ein passendes Zeitbild dieser Jahre. Die Hippieära ist längst vorbei, die Jugendlichen sind ohne Antrieb, hängen ab und konsumieren Drogen. Eltern, Lehrer und Autoritäten spielen überhaupt keine Rolle, alles dreht sich um Liebe, Sex, Leidenschaft, Träume und Drogen.

Doch diese Graphic Novel ist noch mehr, in verstörenden Bildern entwickelt sich diese Story zu einer handfesten Gruselstory voller offenem und subtilem Horror und Gewalt. Die Teens, scheinbar haltlos und abgenabelt vom Elternhaus, driften langsam aber sicher in einen Sommer voller Elend, Schmutz, Angst und Gewalt. So wird die unheimliche Krankheit ein Synonym für die sich in den Figuren abspielenden Veränderungen durch Pubertät und das Erwachsen. Aber ungewollt kommt in einem aber auch die bis dahin ja noch unbekannte Krankheit AIDS in den Gedanken…

Der Autor Charles Burns stellt Gemüt, Innenwelt, Lebensängste und Träume seiner Figuren hervorragend nach. Scheinbar ergeben sie sich ihrem Schicksal der Krankheit, sie wird hingenommen, nach Lösungen oder Heilung wird nicht gesucht. Eine Aufklärung der grausamen Krankheit wird der Leser nicht finden. Die symbolhafte graphische Darstellung dieses Kaleidoskops der dunklen Gefühle verstärkt die Unterschwelligkeit des Horrors auf geniale Weise. Sie kann man am besten mit der Comickunst der EC-Comics der 50er Jahre verglichen werden, in denen damals die schwarzen Farbflächen stark dominierten.

Auch der Titel ist gut gewählt. Wie die Spiralarme einer Galaxie sich um das Schwarze Loch im Zentrum drehen sich Gedanken, Ängste, Träume, Gewalt um ein „Loch“ oder die Seele der Figuren. Zum Schluss treibt eine der Figuren auf dem Rücken liegend im Meer und schaut in den Himmel voller Sterne und Galaxien. Was da so weit entfernt scheint, ist dem Mikrokosmos gleichbedeutend, der uns alle wie Spiralarme umgibt. Jede der Figuren schlägt in dem Buch vom Schicksal getrieben zum Schluss einen anderen Weg ein. Es kommt immer darauf an, was man mit dem eigenen Schicksal, was uns alle umgibt, anstellt und wie man damit umgeht. Es gibt viel gute und schlechte Fügung, auch in unserem eigenen Leben, aber entscheidend ist immer das, was man selber daraus macht.

Die Serie umfasste in den USA glaube ich 12 Ausgaben, die in einem Zeitraum von 10 Jahren erschienen sind. Umso unglaublicher ist, dass schon in den ersten Panels Symbole und Bezüge auftauchen, die erst viele Jahre später vom Autor als Teil der Handlung auftauchen. Ich habe mir übrigens den US Sammelband geholt, der für recht wenig Geld bei Buch . de zu kriegen ist. Die umgangssprachlichen Dialoge sind nach kurzer Eingewöhnungszeit, genau wie die Charaktere und auch die ungewohnte Erzähltechnik einem schnell ans Herz gewachsen.

Fazit: Das „Comic“jahr 2011 fängt ja gut an. Gleich am 06.Januar ist die Meßlatte schon verdammt hoch gelegt worden! OB meine Spinnehefte die wohl schaffen?

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