Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 27.01.2022, 17:41   #124  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.324
Blog-Einträge: 3
Lotte am Bauhaus (Deutschland / Tschechien 2019, UFA Fiction, Degeto Film, MDR und Mia Film), Drehbuch: Jan Braren, Regie: Gregor Schnitzler, 105 min, FSK: 12

Am 13. Februar 2019 zelebrierte Das Erste mit einem Themenabend den 100. Geburtstag des berühmten Bauhauses mit dieser Produktion. Durch den Titel und das zeithistorische Setting klingen als Inspirationen zum einen Thomas Manns Roman Lotte in Weimar (1939), zum anderen Charlotte "Lotte" Ritter aus Volker Kutschers Krimiserie um Gereon Rath und dessen Verfilmung Babylon Berlin an.

Ähnlich wie in anderen historischen Serien und Filmen erlaubt sich der Spielfilm gewisse künstlerische Freiheiten, indem sie eine fiktive Figur in den Mittelpunkt stellt, um dramaturgisch eingängiger zu sein. Die Protagonistin Lotte Brendel lehnt sich zwar an das Vorbild Alma Siedhoff-Buscher (1899 - 1944), eine deutsche Designerin und Kunsthandwerkerin, weicht aber zugunsten eines Happy Ends von deren Biographie ab. Denn nach der Geburt ihres ersten Kindes 1927 weigerte sich Walter Gropius (1883 - 1969), Siedhoff-Buscher weiter am Bauhaus zu unterstützen, weshalb sie das Bauhaus verließ und ihren Beruf aufgab.

Für einen handelsüblichen Fernsehfilm zeigt der Film besonders in der ersten Hälfte eindrucksvoll künstlerisches Schaffen: Das Publikum sieht die Tischlerstochter Lotte Brendel beim Zeichnen, Schreinern und Modellbau, außerdem zeigen Szenen, wie Gropius ihre Bewerbungsmappe beurteilt und wie sie sich in der Vorlehre in Kursen bei Johannes Itten (1888 -1967), Gertrud Grunow (1870 - 1944) und Oskar Schlemmer (1888 - 1943) bewähren muß. Zu ihren Kommilitonen zählen Friedl Dicker (1898 - 1944), Anni Fleischmann (1899 - 1994), Josef Albers (1888 - 1976) und Dörte Helm (1898 - 1941). Wegen ihres Ansatzes, Kunst und Handwerk zugunsten der Funktionalität zu vereinigen, hatte das Bauhaus den Ruf, kommunistisch ausgerichtet zu sein, und wurde von nationalen und konservativen Kräften abgelehnt.
Lottes Vater Gustav Brendel denkt und handelt traditionell, denn am liebsten möchte er sie mit einen Mann verheiraten, der nach seinem Tod seine Tischlerei weiterführen soll. Lotte schaltet auf stur, bewirbt sich und bricht mit ihrer Familie, nachdem sie am Bauhaus angenommen wurde. Gropius hingegen kommt im Film gnädiger davon, denn seine progressiven Ideen stoßen in der Realiät auf Widerstand. So erklärt er, daß die Studentinnen und Studenten Prüfungen bei der Handelskammer Prüfungen ablegen müssen, aber die Kammer in bestimmten Fächer keine Frauen akzeptiert. Ein weiteres Hindernis sind die Kunden, die Frauen wie Luft behandeln oder sie zu Kaffee und Kuchen abschieben wollen.

Nach den Kommentaren zur letzten Ausstrahlung kommt der Film beim Publikum besser weg als bei der Kritik, die hier vor allem die verkitschte Liebesgeschichte bekrittelt. Als gehobene Unterhaltung erfüllt der Film seinen Zweck, wer neugierig geworden ist und mehr wissen will, kann das ja tun.

Geändert von Servalan (28.03.2024 um 13:09 Uhr)
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten