Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 12.03.2009, 12:56   #38  
Peter_Wiechmann
am 11.01.2020 verstorben
 
Benutzerbild von Peter_Wiechmann
 
Beiträge: 1.431


Wie macht man Comics?

Keinen blassen Schimmer – weiss nur wie (Wiech)man(n) zu Resultaten kam und das soll hier gern Allgemeingut werden.

Vorusgeschickt sei aber gleich die freudige Botschaft:

Comics kann jeder anrühren. Das ist eigentlich keine große Kunst und es gibt schon gar kein geheimnisvolle Rezept dafür.

Beispiel für einen – eifrig nach seinem ureigenen Comic trachtenden Mitmenschen - über den sich im Abendsonnenschein die Muse zum entscheidenden Kusse beugt:

Dieser nämliche Mensch liegt entspannt am Wiesenrain und lässt gemächlich die Sonne untergehen. Und ehe sich das rote Licht ausknipst, fallen ihre letzten Strahlen durch ein Spinnenetz im Haselstrauch in die Augen unseres jetzt etwas blinzelnden Freundes.

„Spinnen!“, murmelt der träge und gedankenverloren. „Die haben überall Halt – selbst auf Glasscheiben! Die wickeln ihre Beute ein. Die arbeiten immer mit eigenem Netz über dem fernen Boden aller Tatsachen. Haben in ihrem feingesponnenen Netzwerk ein todsicheres Alarmsystem: Bewegungsmelder! Leben und lauern im Verborgenen ...

Gemerkt?

Da ist sie schon: die Hefe , aus der der Serienheld aufgeht!

Ans Werk ... das Denken beginnt – trotzdem kann man entspannt dabei liegen bleiben:

Hmmm ... also so eine Spinne zu personifizieren wäre wegen abstoßender Hässlichkeit nicht ratsam . Kein Problem – sucht man eben eine bessere Sympathiefigur, der man all das anhängt, was eine gewitzte Spinne so ausmacht.

Ich für meinen Teil hätte damit schon die Steilvorlage für einen Semi-Funny namens ... naja, sagen wir DER SPINNER.

Selbstverständlich verbirgt sich hinter dem leicht negativen Serientitel – der ja auch gleichzeitig den Helden benennt - genau das Gegenteil.

Weniger scheinen als sein!

Der SPINNER legt los, wenn andere ihr Pulver schon verschossen haben und hilflos wie Schießbudenfiguren herumstehen.
Da ... ja jetzt offenbart sich der SPINNER und wickelt alles ein. Und wenn dann das Volk – nach vollbrachter Rettung der Erde oder des Oberbürgermeisters Töchterlein - jubelt und dankt, dann ist er auch schon wieder weg. Man hört nur noch von fern sein fröhliches: „Kleben Sie wohl!“

Also, das wäre mein Stoff – meine Art, durchzustarten, um dann das bißchen Rest - wie den Handlungsrahmen, die Konfliktgegner, die Freunde, das Szenarium drumherum - schnell noch dazu zu konzipieren.

Ein anderer musengeküsster Macher liebt es härter, dynamischer, aufregender, hollywooder – sieht alles in einer realistisch-überzogenen Welt von Gut & Böse ohen Graubereiche. Nur viel Grauen!

Nun, der legt dann eben ( bei gleichen Ausgangskriterien) SPIDERMAN auf Kiel.

Jeder Macher hat eben so seine Masche, Eingaben zu verwerten. Das unterscheidet den kreativen Menschen vom Geldautomaten ... der nur zwei Optionen hat:
Geld zu geben oder zu verweigern.



So, das war der spielerische Ausflug in die Gefilde des
schöpferischen Aktens, mit dem Bilderfluten entfesselt werden sollen.


Wenden wir uns nun den eisernen Regeln zu:

Wir Deutsche wollen möglichst kreativ und ungebunden und schrankenlos und frei in unserem Erfindergeist sein, wenn der schon mal aus der Flasche nebelt ... aber Gesetze müssen sein. Sonst hat das Ganze je keinen Rahmen und die Sache keinen richtigenHalt!

Also mal sehen ob ich zwei, drei nützliche Gebote als einzuziehende, sichernde Korsettstäbe zusammen bekomme:

1.
Du sollst irgendwo schon Existierendem keinerlei Beachtung schenken, sondern frei darauf los erfinden!

Was heißt das? Scher Dich den Teufel ... äh .... keinen Deut um bereits weltweit vorhandene Serien, sonst stehst Du plötzlich Himalayas an längst Ausgedachtem gegenüber und Du wirfst gehemmt das Handtuch.
Also alles ignorieren und nur an den eigenen Stoff denken.
Der ist sowieso ganz neu! Immer!



2.
Du sollst Deine Serien-Lieblingsidee über alles hätscheln – ihr aber grundsätzlich mißtrauen!

Was heißt das? Wenn Du nicht die Plots für zehn albumstarke
Storys ( = Inhalt für 10 x 44 Seiten) auf das Papier bekommst, ist Deine Lieblings- leider eine Schnapsidee.



3.
Du sollst rechtzeitig an die Optik Deiner bald ins Bild umgesetzten Worte denken und schon im Vorfeld vorsorgen!

Was heißt das? Wenn Du ein Schreiber und ein Zeichner bist, dann ist Passus 3 hinfällig.
Ansonsten solltest Du Dir kurz nach der Geburt der Basisidee einen Zeichner suchen.





Damit nun beginnt der lästige Ernst des kreativen Erschaffens!!

Ideen allein kosten ja glücklicherweise kein Geld: Aber die nun sichtbar zu machen ... das grenzt einmal an Arbeit und dann geht es schnell ans Eingemachte.

Ich spreche also vom Glücklichen, der mit seiner umwerfenden Comic-Idee nicht mehr schwanger sondern damit schon Klinken putzen geht.

Der merkt spätestens nach der zweiten geputzten Klinke, dass ohne Artwork selbst Autors Engelszungen keinen Verleger hinter dem Ikea-Tisch hervorholen.

Die Verantwortlichen wollen was sehen. Möglichst Hunderte von Seiten, denn erst damit liegt so eine Art Sicherheit namens "Kontinuität der Serie" bewiesen auf dem Tisch.




Die Stunde der Wahrheit gongt:

Ein Zeichner muss her! Woher nehmen und nicht bezahlen? Verlockend wäre da vielleicht ein Freund, der schon immer mal so lustige Figuren an Abortwände, Schultafeln und auf Streiktafeln pinnte!

Finger weg! Gar nicht erst dran denken!

Nächste Kategorie: Deutsche lasst bei deutschen Profis deutsche Comics zeichnen! Nicht wegen irgendwelcher nationalen Befindlichkeiten, sondern schlicht wegen der Verständigung.

Man sucht also in der deutschen Szene und findet: Einen Artist seiner Wahl – von dem man auch schon weiß, welchen Strich er drauf hat und der zum eigenen Comic passen sollte.

Der macht sich nun also dran.
An was macht er sich dran?

Genau das muss präzise und bitte vorher festgelegt sein. Meine Empfehlung:
Er scribbelt die Haupthandelnden - die Heldin/den Helden, die Gegnerin/den Gegner - die Bande/die Crew/das Team – den Schauplatz - Stadt, Land, Fluß. Er scribbelt die Protagonisten im Stand, in Bewegung, in der Gruppe – zeigt Mimik, Bewegung.
Inkt zumindest den Helden in anschaulichen Posituren.
Gibt auch schon mal ein bißchen Farbe dazu Und vorher unbeding seinen Preis für all das ab!

Schluß, aus!

Damit und seinem genialen Serien-Konzept geht man hausieren. Außer Luftschlössern und Erfolgsvisionen wird jetzt absolut nichts mehr inverstiert. Bis der echte Auftrag zur Umsetzung kommt. Jetzt - bald – irgendwann!

Erst dann setzen sich Autor und Zeichner zusammen und küngeln alles aus: Wer hat welche Rechte am Werk? Wie werden die Honorare geteilt? Zu welchem Produktionsvolumen verständigen sich beide bindend ... undsoweiter. Aber das ist dann eine ganz andere Geschichte.

Ansonsten bleibt es der schöne Traum ... vom eigenen Comic, den man zumindest versucht hat, zu realisieren!



Der andere Weg zum Ziel:

Die Möglichkeiten des Comic-Machen sind natürlich längst nicht ausgeschöpft. Oooo nein!

Nehmen wir an, es gibt heutzutage noch Menschen, die außer Idealen auch noch über gesundes Kapital verfügen und dennoch das ernsthafte Ansinnen haben, etwas Eigenes in Sachen Comic zu kreieren!

Denn dem bietet sich nun die Zusammenarbeit mit einem Profi-Pool an. Zum Beispiel mit einem professionell geführten Studio, das davon lebt, erfolgreiche Comics zu erfinden und zu produzieren – oder schon bestehende Erfolgs-Comics für andere zu produzieren.

Die gibt es – und von den wenigen könnte ich eines mit ehrlicher Überzeugung und Freude empfehlen.
Tue ich aber hier nicht, weil dieses besagte Studio in Spanien mal meins war - als ich noch in Barcelona wirkte - und man ja als Ratgeber unbedingt und unbeirrbar neutral bleiben sollte ...

Um es kurz zu machen: Dort findet man den richtigen Künstler für den eigenen Comic. Garantiert!

Der bereitet den Serienstart – betreut und kontrolliert vom Studioleiter - bis hin zu den model-sheets aller Figuren und deren Umfeld vor. Der zeichnet bei Grünem Licht des frischgebackenen Comic-Eigners auch die Storys aus der Feder des Eigners oder dessen Autor in Serie ... alles kein Problem, wenn genügend Etat vorhanden ist.

Dann liegt sie nun da, die brandneue, umwerfende Serie und wäre eigentlich prädestiniert, ihre Daseinberechtigung unter Beweis zu stellen: nämlich getextet, coloriert, digtalisiert, gedruckt und vertrieben zu werden! Nicht vom, sondern im Markt!

Und da geht das Gesuche schon wieder los: Welcher Verlag geht das – minimale, claro – Wagnis ein, seine Leser mit dem besten aller Comics zu überraschen, atemlos zu machen, bei der Stange zu halten?

Diesen Leidensweg, diese Odyssee der Verlagssuche fasse ich hier nicht in erschütternde Worte, sondern mache es mir ausnahmsweise mal einfach und knüpfe an der obigen Möglichkeit an.

Da sahen wir ja einen Menschen mit Eigeninitiative und etwas Geld – und genau dem empfehle ich jetzt in meinem Gedankenspiel:

Druck Dir Deine Comics halt selbst! Druckereien gibt es in infaltionärer Vielfalt und mit entsprechend niedrigen Preisen bei prächtiger Buchgestaltungs- und Druckleistung!

Vor allem im Osten! Und gar im fernen Osten!

Bleibt nur noch die letzte Hürde. Nein, das ist nicht der Vertrieb
- auch da gibt es professionelle Verteiler-Hilfe Deiner Werke.

Ich meine den Erfolg, dieses windelweiche Phänomen, das sich so gut packen lässt, wie ein geölter Aal.

Denn spätestens wenn Deine Bestände im Lager wachsen wie die Abraumhalden der Kali-Industrie, dann dämmert die Erkenntnis:

Comic erfinden ist leicht – alles andere danach artet in Arbeit und schnell in Frust aus.

Was auch erklärt, dass es gar nicht so viele erfolgreiche Comic-Macher gibt!

Rolf Kauka und Walt Disney hatte zur richtigen Zeit die richtige Idee und die richtigen Leute und einen richtig hungrigen Markt!

Vor allem der fehlt heute! (But the times they are changing ...)





Trotzdem: in comic veritas!

Euer

Dr. honoris comic Peter Wiechmann
Peter_Wiechmann ist offline