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Alt 15.06.2021, 20:38   #8  
eck@rt
Moderator Deutsche Comicforschung
 
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Es war denn doch keine technische Panne, dass die Ankündigung von YESHUA bei PPM verschwunden ist. Peter Poluda hatte seine christlichen Wurzeln entdeckt und weigert sich, den Titel bei PPM zu bewerben:

Ich kann es einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, ein solches "Werk" öffentlich anzubieten. Ich hoffe unsere bisherige gute Zusammenarbeit wird durch meine Entscheidung nicht beeinträchtigt. Aber als Christ habe ich mit dem Comic so meine Probleme.

YESHUA beschreibt die Lebensgeschichte Christi, nach Interpretation durch den Autor und Zeichner Tomaz Lavric. Sein Jesus ist kein in Reinheit gereifter Messias, sondern ein eitler und ruhmsüchtiger Mensch, der seine Familie missachtet und mit einer Hure in Sünde lebt. Ist das der Mann, den die Christenheit noch 2000 Jahre später als ihren Gott verehrt? Bei Lavric ist der Religionsstifter ein Tunichtgut, der sich mit allerlei Gauklertricks als Wunderheiler aufspielt. Zum Schluss wird er ein Opfer der niederen Politik – das bringt ihn ans Kreuz. Er stirbt, und nur die Winkelzüge seiner Geliebten Maria schaffen die Voraussetzung dafür, dass wir heute an eine Auferstehung glauben.

Der Comic ist großartig erzählt und gezeichnet. Lavric ist vorurteilsfrei, aber nicht despektierlich. Das pralle Leben, wie wir es zum Beispiel von Skakespeare her kennen – hier ist es. Lavic knetet seine Figuren. Etwa Johannes den Täufer: In diesem Comic ist er ein Verwandter Yeshuas, dessen Mutter Maria sich vom selben fahrenden Händler hat schwängern lassen wie Johannes’ Mutter Elisabeth. Johannes wird zum Propheten, Yeshua zum neidischen Hochstapler, der den Konkurrenten kaltblütig der Obrigkeit ausliefert.



Wie in den Evangelien, gibt es auch in »Yeshua« einen Erzähler, den inzwischen greisen Jünger Philippus. Er lebt unter falschem Namen im Süden der heutigen Türkei und wird im Jahr 64, also rund 30 Jahre nach dem angenommen Todesjahr Christi, dort aufgesucht von dem jungen Historiker Zacharias von Tyros. Der ist offensichtlich Anhänger der christlichen Lehre und sucht nun nach Einzelheiten über das Leben des Gottessohns. Was Philippus ihm zu erzählen hat, entspricht jedoch nicht seinen Vorstellungen.



Nachdem Yeshua sich einen Ruf als Wunderheiler erworben hat, sucht die politische Gruppe der Zeloten ihn für ihre Zwecke zu gewinnen. Yeshua hat keine Wahl. Schließlich steht er an der Spitze des Aufstands in Jerusalem. Da zeigt es sich, dass er die Erwartungen nicht erfüllen kann.



Neben ZEHN GEBOTE ist YESHUA einer der tiefschürfendsten Comics, die wir bei comicplus+ herausgebracht haben, und wir sind stolz darauf, auch wenn es das Gewissen eines Christen belastet, mit so einem "Werk" konfrontiert zu werden. Wir leben im 21. Jahrhundert.





Geändert von eck@rt (16.06.2021 um 09:32 Uhr)
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