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Alt 03.04.2024, 14:51   #1923  
God_W.
Captain Rezi
 
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Ben Hur (Lewis Wallace)

Ben Hur hat mich als Kind und Jugendlicher enorm beeindruckt, selbstredend die Verfilmung von 1959 mit Charlton Heston. Die S/W-Fassung hab ich viel später mal gesehen und die TV-Verfilmung von 2010 kam genauso wenig an die 1959er Fassung ran wie die Neuverfilmung von 2016. Immerhin haben wir hier quasi DAS Abziehbild des Monumentalfilms an sich, und ich schaue das Mammutwerk immer wieder mal gerne, früher meist zu Ostern, manchmal auch zu Weihnachten.

Vor etwa 15 Jahren habe ich mir das Buch mal günstig aus einer Grabbelkiste in einer lokalen Buchhandlung mitgenommen und gedacht: Irgendwann lese ich das mal. Jetzt, passend zu Ostern, sollte es so weit sein.

Ich kann sehr gut verstehen, weshalb sich das Werk zu einem solchen Klassiker entwickelt hat und bis heute gerne gelesen wird. Zum einen ist es natürlich eine Bibelgeschichte, weshalb nach Erscheinen der Großteil der christlichen Welt zugegriffen hat. So wurde Ben Hur damals für eine Zeit lang zum meistgedruckten Buch nach der Bibel. Es liest sich aber auch einfach gut.



Für mich als Atheist mit katholischer Erziehung ist vom Start weg klar, hier haben wir es mit einem Märchen zu tun. Die gut ersten 50 Seiten bekommen wir Ben Hur nämlich nicht zu Gesicht, sondern begleiten die drei Weisen Kaspar, Melchior und Balthasar auf ihrer Suche nach dem neuen König der Juden, dessen sie schließlich in Betlehem ansichtig werden. Die lange und enorm abwechslungsreiche „Heldenreise“ Ben Hurs, bei der sich Alix-Schöpfer Jacques Martin stellenweise kräftig bedient hat, startet erst nach diesem umfangreichen Prolog.

Der Fall, die Leidensgeschichte und der neuerliche Aufstieg des Sohnes aus dem Hause Hur ist dann die meiste Zeit über wirklich stimmungsvoll und fesselnd, wenn auch sprachlich selbstredend etwas altbacken, was aber super zur Geschichte passt und für mich viel zum stimmigen Gesamtbild beiträgt. Auch hierbei bewegen wir uns aber oft im fantastischen Bereich, historische Akkuratesse ist nicht wirklich angesagt. Mit dem Film gemein hat das Buch, dass der packendste Höhepunkt der Erzählung mit dem Wagenrennen erreicht wird, welches an Dramatik kaum zu überbieten ist. Alles was danach geschieht wirkt dann leider ein wenig langatmig, das hätte man schneller abhandeln können. Dass das Schicksal von Hurs Widersacher Messala im Buch etwas anders verläuft hat mich allerdings überrascht und ich muss auch sagen, das fand ich in der Heston-Verfilmung besser und „befriedigender“ gelöst.

Insgesamt ein spannender Roman, der ohne den Jesus-Bezug vermutlich kein solches Jahrhundertwerk geworden wäre, aber dennoch zurecht ein Klassiker wurde. Man sollte keine großen Probleme mit christlichen Lehren haben, wenn man das Buch genießen möchte, aber jeder der dahingehend frei oder zumindest offen ist, und eine Vorliebe für klassische Literatur hat, sollte einen Blick riskieren.

8/10

VG, God_W.

Geändert von God_W. (03.04.2024 um 16:09 Uhr)
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