Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 22.01.2023, 15:57   #219  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.326
Blog-Einträge: 3
  • Umberto Eco: Il nome della rosa (Gruppo Editoriale Fabbri-Bompiani 1980) | Der Name der Rose. Roman (Hanser 1982, dtv 1986)
  • Der Name der Rose | Le Nom de la rose | Il nome della rosa | The Name of the Rose (Bundesrepublik Deutschland / Frankreich / Italien 1986), Drehbuch: Andrew Birkin, Gérard Brach, Howard Franklin und Alain Godard, Regie: Jean-Jacques Annaud, 126 min, FSK: 16
  • Der Name der Rose | Il nome della rosa | The Name of the Rose (Italien / Deutschland 2019, 11 Marzo Film, Palomar, Rai Fiction und Tele München Gruppe), Drehbuch: Giacomo Battiato, Andrea Porporati, John Turturro und Nigel Williams, Regie: Giacomo Battiato, 8 á 50 bis 54 min
Danke für den Tip! Die Serie wäre mir sonst leicht durch die Lappen gegangen.
Wie du an meinem Zögern gemerkt hast, hatte ich lange an meinem Urteil zu knabbern.

Den Roman habe ich noch während meiner Schulzeit gelesen, allerdings in der Taschenbuchausgabe von dtv. Insofern weiß ich nicht mehr, wie mich die Trailer der Eichinger-Verfilmung beeinflußt haben oder ob ich nur ein paar Berichte aus der Fernsehzeitschrift aufgeschnappt habe. Auf jeden Fall hat sich mir Ecos Spruch eingeprägt, die ersten hundert Seiten seien nur da, um sich durchzubeißen, erst danach fange der Plot richtig an.
Keine Ahnung, ob das mein erster Eco gewesen ist. Nachher im Studium war er jedenfalls eine feste Größe: Das Spektrum reichte vom UTB-Band Wie schreibt man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit bis zu seinen Werken über Semiotik. Da kamen einige Zentimeter im Regal zusammen. Die Nachschrift zum ‚Namen der Rose‘ habe ich mir natürlich auch besorgt.
Durch Jacques Martin habe ich die Antike dem Mittelalter vorgezogen, so daß ich als Laiin an das Buch herangegangen bin. Je tiefer ich in die Materie herabgestiegen bin, umso interessanter fand ich den Roman. Als Hintergrundlektüre habe ich mir später aus dem Greno-Verlag Die Geschichte der Inquisition von Henry Charles Lea besorgt, weil die gerade günstig greifbar war.
Die Aufklärung der Mordserie durch William von Baskerville empfand ich als Lotsen, der mir die Orientierung im vielschichtigen Plot erleichterte. Das Prinzip des uneigentlichen Sprechens wird ja im Roman selbst durchexerziert: Die beiden Parteien auf dem Konzil streiten auf der Oberfläche um die Armut Christi, de facto dreht es sich aber um die Frage, ob die römisch-katholische Kirche weltlichen Besitz haben darf oder nicht - also etwas Hochpolitisches. Hinzu kommt das Damoklesschwert über dem Bettelorden der Franziskaner, der unter Umständen als Häretiker und Ketzer auf der schwarzen Liste landen konnte.

Die Eichinger-Verfilmung mit Sean Connery habe ich im Kino gesehen. Von Jean-Jacques Annaud kannte ich Am Anfang war das Feuer (1981), insofern hatte ich schon eine gewisse Erwartung, die der Film in weiten Teilen eingelöst hat. Bald darauf habe ich mir das Sonderheft zum Film von psychologie heute zugelegt.
Damals war ich von der Verfilmung begeistert, besonders die Architektur des Klosters von Dante Ferretti hat mich schwer beeindruckt. Hinzu kam das Casting mit den Charakterköpfen, allen voran Ron Perlman als Salvatore und Fjodor Schaljapin als Jorge von Burgos.
Natürlich legte der Film den Schwerpunkt auf Action und Body Horror, weniger auf kirchliche Debatten. Außerdem konnte er mit einer FSK: 16-Freigabe recht drastisch werden und mußte wegen der begrenzten Laufzeit die geraffte Handlung pointiert herüberbringen.
Nach 2000 habe ich mir die DVD zugelegt und mehrmals gesehen. Sie gefällt mir immer noch, allerdings muß ich gewisse Abstriche machen. Die Hütten an der Abtei fallen doch sehr in das Klischee vom dreckigen Mittelalter, und Valentina Vargas mit ihren fettigen Haaren kommt mir sehr animalisch vor - mehr ein Klischee von einer Frau als ein Charakter.

Die achtteilige Fernsehserie hat natürlich einen epischen Atem. Da sie jederzeit aus der Mediathek abrufbar war, nehme ich an, das auch ein jüngeres Publikum angesprochen war, vielleicht ab zehn oder zwölf Jahren.
Bei den ersten Folgen dachte ich noch, die Serie verliert sich in Nebensächlichkeiten, aber das gab sich recht schnell. Sie mußte sich gegen meine visuellen Eindrücke aus der Eichinger-Verfilmung durchsetzen - was ihr gelungen ist. Hauptdarsteller John Turturro hat nicht nur am Drehbuch mitgeschrieben, sondern auch einen Produktionsposten bekleidet. Ihm scheint wohl etwas am Stoff gelegen zu sein.
Mittlerweile ist eine neue Generation herangewachsen, und 33 Jahre nach der ersten Verfilmung haben sich die Sehgewohnheiten doch deutlich geändert. Obwohl die Serie bloß durchwachsene Kritiken bekommen hat, finde ich ihre Vorzüge beachtlich. John Turturro kann mich als William von Baskerville überzeugen, hingegen bleiben Jorge von Burgos und die meisten anderen Mönche ziemlich blaß. Salvatore entspricht hingegen dem Klischee vom dumpfbackigen Psychopathen, der Frauen riecht.
Das Leben in der Abtei wird teilweise besser als bei Terra X dargestellt: Salvatores Papiermühle, in der die Lumpen zerfasert werden, zum Beispiel und der Glasmaler, der William aus einem Kristall eine neue Linse schleift und einfaßt, das waren großartige Szenen.

Die optimale Verfilmung wäre aus meiner rein subjektiven Sicht eine, die die Vorzüge des Films von 1986 und der Serie von 2019 kombiniert ...
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten