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Alt 17.12.2018, 13:25   #437  
Peter L. Opmann
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Danke für das Beispiel.

Spinne (Williams) 96

Erscheinungstermin: 10/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 95
2) Mighty Thor # 130

Story-Titel:
1) Bald schlägt’s sieben!
2) Donner in der niederen Welt!

Original-Storytitel:
1) Trap for a Terrorist!
2) Thunder in the Netherworld!

Zeichnungen:
1) John Romita / Sal Buscema
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Bin erleichtert: Es geht wieder aufwärts mit der Story-Qualität. Die vorliegende Ausgabe ist gewiß kein Meisterwerk, aber doch um einiges interessanter als die beiden Vorgänger. Wir haben hier wieder mal keinen Superschurken (aber es ist doch einigermaßen spannend), und Peter will Gwen in London treffen und seine Beziehung zu ihr nach dem Tod ihres Vaters retten. Also nicht bloß Routine-Action. Das Zeichnerteam John Romita und Sal Buscema macht seine Sache ebenfalls besser als in „Spinne“ # 95. Man muß Buscema wohl eine Episode zum Einarbeiten zugestehen; allerdings ist er auch gleich wieder weg vom Fenster. Wieder wird mit überwiegend kleinen Panels gearbeitet, diesmal, weil die Story nicht ganz trivial ist.

Die Spinne quälen beim Umherschwingen ständig die Erinnerungen an Gwen. Peter kommt zu dem Schluß, daß er sie in London aufsuchen muß. Aber woher soll er das Geld für die Reise nehmen? Wir sind offensichtlich noch nicht in der Zeit von Easyjet und Ryanair. Ohne große Hoffnung beschließt er, Jonah Jameson um einen Vorschuß zu bitten. Lokalchef Joe Robertson hat durchaus Verständnis für Peters Wunsch und sendet ihn für irgendeine Recherche nach London; die Spesen zahlt er vorweg. Was es für die Lokalredaktion in London zu berichten gibt, bleibt unklar, aber Robertson erwartet für seinen Scheck auch gar keine Gegenleistung. Kurz schaut Peter noch bei Tante May vorbei, wo sich gerade auch Mary-Jane aufhält. Dann sitzt er schon in der Maschine, die kurz darauf in London landet.

Hinter ihm sitzt ein US-Kongreßabgeordneter mit seinem kleinen Sohn, mit denen Peter ein paar Worte wechselt. Wie genau er Gwen gegenübertreten will, ist ihm eher schleierhaft, aber da wird er schon von einer Durchsage aus dem Cockpit aus seinen Gedanken geschreckt: Terroristen haben das Flugzeug gekidnappt, indem sie eine ferngesteuerte Bombe unter der Gangway angebracht haben. Sie wollen damit Spießgesellen aus dem Gefängnis freipressen. Niemand darf das Flugzeug verlassen. In dem allgemeinen Durcheinander kann sich Peter unbemerkt in die Spinne verwandeln, und die macht die Gangway mit einem gezielten Tritt unschädlich. Die Gangster fliehen mit dem Politiker und seinem Sohn als Geiseln im Auto, aber die Spinne schwingt sich aufs Autodach und bringt dort einen Spinnenspürer an. Als sie beschossen wird, läßt sie sich vom fahrenden Auto herunterfallen. Kurz darauf sieht sie sich einem englischen Kriminalinspektor gegenüber, der sie recht unaufgeregt behandelt. Die Spinne bricht das Gespräch aber schnell ab und macht sich auf die Suche nach dem Gangsterwagen. Gwen sieht den Wandkletterer vor ihrem Fenster herumturnen und fällt in Ohnmacht.

Die Spinne findet das Auto rasch, platziert ihre Kamera und erledigt die Banditen. Der Abgeordnete und sein Sohn sind allerdings nicht im Wagen. Einer der Gangster sagt geheimnisvoll: „Ihr Schicksal ist besiegelt… von der Zeit.“ Die Spinne hat eine Idee, was er damit meinen könnte: Die vier Uhren von Big Ben müssen aufgehalten werden, wenn das Leben der Geiseln gerettet werden soll. Sie hat recht. Sie sind an eine Glocke im Turm gebunden, und zur nächsten vollen Stunde wird eine Bombe mit Zeitzünder explodieren. Das kann die Spinne mit extrem reißfestem Netz gerade noch verhindern. Dann befreit sie die Geiseln. Immerhin: In London wird sie nicht als Gefahr für die Öffentlichkeit gesehen. Sowohl der Abgeordnete als auch der Inspektor erweisen sich als Spinne-Fans, der kleine Sohn sowieso.

Eine Pointe hat Stan Lee noch übrig: Die Zeitungen berichten bereits über den Einsatz der Spinne in London, und Gwen, ihr Onkel und ihre Tante bemerken, daß die Gestalt vor dem Fenster keine Halluzination war. Peter seinerseits wird klar, daß er nun Gwen nicht mehr treffen kann, denn dann wäre ihr sofort klar, daß er die Spinne ist. (Genau genommen würde die in # 88 gefundene Ausrede, er arbeite mit der Spinne für Zeitungsfotos zusammen, aber auch hier funktionieren.) Traurig macht er sich auf den Heimweg. Insgesamt ist das eine Geschichte, die hier und da nicht aufgeht: Warum fliegen die Gangster nach London? Warum binden sie ihre Geiseln an eine Glocke in Big Ben (das hat offensichtlich nur den Zweck, der Spinne ein Rätsel aufzugeben)? Wie schaffen sie sie so schnell dorthin? Und wie kommt ihnen die Spinne auf die Spur? Anscheinend war es nur eine vage Idee, dort zu suchen, aber gleich ein Volltreffer. An der Story ist so manches zurechtgebogen, damit Peter Parker nach London kommt, aber zugleich Gwen nicht zu sehen kriegt. Trotzdem liest sie sich nicht schlecht.

Eines ist mir aufgefallen: Nämlich daß die Spinne in London viel fairer und freundlicher behandelt wird als zuhause. Motto: Der Prophet gilt nichts in seiner Heimatstadt. Werden dahinter Anschauungen von Stan Lee über die USA und Europa sichtbar? Vielleicht ist in New York einfach alles aufgeregter, schriller, eher mit einer Tendenz zum Negativen behaftet als im alten Europa, wo man die Dinge gelassener, vielleicht auch objektiver sehen kann. Aber eigentlich müßte es umgekehrt sein: In einer verrückten Stadt wie NY müßte die Spinne eine Alltagserscheinung sein, während sie in London Unverständnis, Aufruhr und Panik hervorrufen müßte. Aber so hat es Lee nicht gewollt… Egal. And now for something completely different, wie die Briten sagen würden – angekündigt wird der Grüne Kobold. Doch es kommt noch viel dicker.

Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:38 Uhr)
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