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Alt 08.12.2018, 22:55   #426  
Peter L. Opmann
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Danke für die Rückmeldungen. Von der ganzen Klon-Saga habe ich nur sehr wenig Ahnung - aber ganz falsch lag ich also nicht.

Und schon geht's weiter:

Spinne (Williams) 92

Erscheinungstermin: 9/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 91
2) Mighty Thor # 128

Story-Titel:
1) Zerquetscht die Spinne!
2) Plutos Macht!

Original-Storytitel:
1) To smash the Spider!
2) The Power of Pluto!

Zeichnungen:
1) Gil Kane / John Romita
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Wieder eine Geschichte, die sich nicht richtig in die Seriengesetze einfügt. Erstmals, wenn ich nicht etwas übersehen habe, geht es um Politik. Ähnliches hat man zumindest schon gesehen, etwa als Kingpin in „Spinne“ # 60 die Oberen der Stadt durch Hypnose unter seine Kontrolle bringen wollte. Die Vereinten Nationen kamen schon mal vor (erst kürzlich in # 89). Aber richtig um Politik, um Law-and-Order versus Liberalität ging es noch nie. Mich hat die Episode beim Erstlesen 1977 nicht so überzeugt, weil der Supergegner fehlt. Allerdings tut sich in Peter Parkers Privatleben so viel, daß für einen ausgewachsenen Schurken einfach der Platz fehlt.

Bei der Beerdigung von Captain Stacy lästert Jonah Jameson, er sei zu liberal gewesen („liberal“ ist in USA auch ein Ersatzwort für „links“). Peter versucht, der trauernden Gwen beizustehen, aber als sie nach Hause fahren, wird ihr klar, daß die Spinne an allem schuld ist (was Peter befürchtet hatte). Zudem will sie sich nun an Sam Bullit wenden, einen ehemaligen Kollegen ihres Vaters, der nun als Konservativer für das Amt des Staatsanwalts kandidiert – er soll die Spinne fangen und bestrafen. Ich kenne mich mit der US-Konstitution nicht so gut aus, aber ich erinnere mich, daß in manchen Western der Sheriff gewählt wird. Der oberste Verbrechensbekämpfer unterliegt in USA also der demokratischen Wahl. Bullit erkennt, daß Gwen ihm einen großen Vorteil im Wahlkampf verschafft: Wenn er den Mörder des „weichlichen Liberalen“ Stacy zur Strecke bringt, und das auch noch auf ausdrücklichen Wunsch von dessen Tochter, dann sehen die Liberalen ganz schlecht aus.

Witzigerweise wird der bullige Bullit ganz ähnlich wie Kingpin eingeführt: Er übt Selbstverteidigung mit seinen Leuten, alles zwielichtige Gangstertypen. Das suggeriert zudem: Der Konservative hat ein Janusgesicht. Er will mehr Sicherheit, ist aber selbst im Lager des Verbrechens angesiedelt. Zuerst startet Bullit eine Pressekampagne. JJJs Daily Bugle wird für seine Null-Toleranz-Politik eingespannt. Joe Robertson, der Bullit als „schlüpfrigen Typ“ bezeichnet, überlegt darauf, seinen Job zu kündigen. Peter Parker verfolgt vor der heimischen Glotze Bullits Feldzug gegen die Spinne, die ziemlich erfolgreich verläuft, jedenfalls ganz New York in Angst und Schrecken (vor dem Wandkletterer) versetzt. Ziel der nächsten Aktion von Bullit ist Peter Parker selbst. Bullit paßt ihn auf der Straße ab. Zwei seiner Schläger halten ihn fest, während er aus seiner Luxuskarosse heraus fragt, wie er an die Spinne herankommt. Peter weigert sich natürlich, etwas zu sagen – zum einen, weil er schlecht seine Geheimidentität verraten kann, zum anderen, weil ihm Bullit einfach unsympathisch ist. Die beiden Schläger sollen die Sache in Ordnung bringen. Sie schlagen Peter, der sich nicht wehrt, brutal zusammen: „Das nächste Mal wird er uns anflehen, ihn auch mal quatschen zu lassen!“

Als die beiden verschwunden sind, verwandelt sich Peter in die Spinne und stellt sie. Den einen hängt die Spinne einfach hilflos an einen Laternenmast, mit dem anderen spielt sie Katz‘ und Maus und wickelt ihn schließlich in ihr Netz. Und sie zahlt den beiden ihren Angriff in gleicher Münze heim: „Wenn du zu Bullit zurückkommst, richte ihm meine Botschaft Wort für Wort aus! Oder willst du, daß ich wiederkomme und sie dir wiederhole?“ Eine kleine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: Nehmen wir an, daß Bullit wirklich jedes Mittel recht ist, um New York sicherer zu machen, auch Verbrechen und Gewalt. Dann gilt das aber für die Spinne ebenso. Es ist wohl amerikanisch, daß man Probleme aus eigener Kraft löst, statt sich an die Polizei zu wenden. „I‘ll stand my ground“, lautet die einschlägige Redewendung. Weder Bullit noch Spinne vertreten hier rechtsstaatliche Prinzipien; da verzichtet man auf Gewalt und läßt die Justiz den Konflikt lösen (beziehungsweise akzeptiert die Verweigerung der Aussage). Richtig thematisiert haben das Problem erst Frank Miller mit „Return of the dark Knight“ und Alan Moore mit „Watchmen“, etliche Jahre später.

Die Spinne kehrt in ihr Apartment zurück und will sich erst dort umziehen. Aber sie erlebt eine Überraschung: Denn sie wird hier bereits von Bullit und Gwen erwartet, die nun den Beweis dafür haben, daß eine Verbindung zwischen der Spinne und Peter Parker besteht. Freilich: Peter hatte ja kürzlich schon eingeräumt, er arbeite mit der Spinne eng zusammen, um an seine Fotos heranzukommen. Sein Geheimnis ist also im Augenblick nicht mehr in Gefahr als vorher auch. Angekündigt wird nun ein neuer Supergegner, nämlich Eismann, den ich aus alten „Hulk“-Heften schon als einen der X-Men kannte. Das war allerdings für mich kein Gegner, dem ich entgegenfieberte. Heute finde ich die vorliegende Story als Pionierwerk nicht schlecht, wenngleich sie vor Klischees strotzt und nicht unbedingt ein Lehrstück in Staatsbürgerkunde ist. Immerhin hat Stan Lee demonstriert, daß auch ein Politiker (im Comic) als Superschurke taugen kann. Die Zeichnungen von Gil Kane und John Romita sind mir als bemerkenswert gut aufgefallen. Man kann etliche Details erkennen, die die beiden wohl aus reiner Freunde am Zeichnen eingefügt haben: belebte Straßenszenen, Collagen, ungewöhnliche Perspektiven der Hochhausschluchten, und einmal beugt sich ein Mann aus seinem Fenster, als direkt unter ihm die Spinne an der Wand klebt.

Kurios ist die redaktionelle Seite über Marvels Western-Comics. Der Text stammt von jemandem (Kirsten Isele?), der eindeutig kein Western-Fan ist und recht deutlich durchblicken läßt, daß die Marvel-Western der 50er Jahre nur Dutzendware sind. Der Inhalt eines typischen Westerns laut diesem Text: „Indianer agieren aggressiv. Überfallen unschuldige Umsiedler beim Ansiedeln. Skalpieren skrupellos. Held hechelt heran. Mokiert sich maßlos über das Morden. Und reitet Rothäute nieder. Hilfsbereiter Hund (= ständiger Begleiter) zerfetzt Indianerhosen. Restliche Rothäute reiten rüstig davon. Held winkt sich aus dem Bild.“ Immerhin eine originelle Inhaltsangabe. Die Illustrationen wirken nachgezeichnet.

Der Checkliste sind diesmal ein paar Fanmitteilungen beigefügt. Unter anderem informiert ein gewisser A. Knigge über die „Comicfachzeitschrift Comixene“ und INCOS.

Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:36 Uhr)
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