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Alt 30.12.2018, 17:30   #466  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 103

Erscheinungstermin: 2/1978

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 102

Story-Titel:
1) Der Vampir ist los!

Original-Storytitel:
1) Vampire at large!

Zeichnungen:
1) Gil Kane / Frank Giacoia

Text:
1) Roy Thomas



Zunächst mal geht es hier um eine Erhöhung des Coverpreises. Er steigt von 15 auf 20 Cent. Möglicherweise war dies der Moment, als Marvel eine Vereinbarung mit DC brach (ich meine, ich habe das in „Marvel - the untold Story“ gelesen, kann’s jetzt aber nicht nachsehen). Marvel produzierte zuerst eine King-Size-Ausgabe (diese) mit 48 Seiten und 30 Comicseiten für 25 Cent und kehrte dann zum gewohnten Umfang zurück, senkte den Preis aber nur auf 20 Cent. Es könnte sein, daß mit DC vereinbart war, generell auf 48 Seiten und auf 25 Cent zu gehen – nun aber waren die Marvel-Hefte billiger als die des Konkurrenten.

Zum Inhalt: Ich gestehe zu, daß Roy Thomas sich Mühe gab, das Geschehen einigermaßen nachvollziehbar zu erklären, aber das ist kaum möglich. Dreh- und Angelpunkt der Story ist ein Enzym im Blut des Vampirs, das krankhafte Veränderungen rückgängig macht. Immerhin kann Thomas so eine Echse ins Spiel bringen, die mit dem regulären Verstand von Dr. Curt Conners ausgestattet ist. Doch es bleibt schwierig. Was die Zeichnungen betrifft, habe ich den Eindruck, daß Gil Kane seine extremen Untersichten und andere verzerrte Perspektiven verstärkt einsetzt. Die Grafik sieht nun doch ziemlich anders aus als zu Romitas Zeiten. Auch wenn nicht mehr so sorgfältig gezeichnet wird wie in den späten 90er Nummern, finde ich das Artwork trotzdem akzeptabel. Auf Kanes Stil konnte ich mich schon damals, 1978, gut einlassen.

Die Spinne ist besiegt, und Morbius und die Echse streiten sich um die Beute. Der Vampir setzt sich durch und beißt die Echse, schafft es aber nicht, sie auszusaugen. Das verhindert die wieder erholte Spinne. Morbius flieht, die Echse hat nun das Bewußtsein von Conners und verwandelt sich sogar weitgehend in ihn zurück – ein paar Reptilienschuppen bleiben übrig. Die beiden Meisterchemiker schließen messerscharf, daß das am Biß von Morbius liegt und daß man dieses Enzym im Labor herstellen kann. Trotzdem wird aus irgendeinem Grund eine Original-Blutprobe des Vampirs gebraucht.

Szenenwechsel. Morbius hat sich nach New York begeben und legt sich schlafen, währenddessen wir endlich seine Originstory erfahren. Er ist ein europäischer (mutmaßlich rumänischer) Nobelpreisträger, leidet unter einer tödlichen Krankheit (da geht zumindest die deutsche Fassung nicht in die Einzelheiten) und will sich mit radioaktiven Experimenten selbst heilen. Der entscheidende Versuch geht allerdings schief; Morbius wird zum Vampir. Es ist also eine Mischung aus Superhelden- und Vampir-Konzept, am Ende aber ist es Stan Lee in Reinkultur. Morbius ist sicherheitshalber auf ein Schiff gegangen; als er merkt, daß er zum Vampir geworden ist und bereits seinen Assistenten getötet hat, springt er über Bord, um sich zu ertränken – nahe bei New York wird er jedoch aus dem Wasser gefischt, wie wir schon gesehen haben. Wie er als Schiffbrüchiger vom Mittelmeer an die US-Ostküste gelangt, wollen wir mal nicht näher betrachten.

In New York zapft er einen Obdachlosen an, der dabei stirbt. Die Spinne begibt sich inzwischen mit der Echse im Schlepptau auf die Suche nach Morbius. Die Nachrichtenredaktion eines TV-Senders erfährt sowohl vom toten Landstreicher als auch von einer seltsamen achtarmigen Gestalt und zählt beinahe eins und eins zusammen. Warum TV-Sender? In einer kurzen Einblendung erfahren wir aus einem Gespräch zwischen Jonah Jameson und Joe Robertson, daß der Daily Bugle kurz vorm Konkurs steht – hier hat man also gerade andere Sorgen. Kurz zuvor sehen wir Gwen Stacy, die noch immer über Peters merkwürdiges Verhalten am Telefon nachdenkt. Sie fragt bei Tante May nach, wo er steckt; sie weiß aber auch nichts.

Nun beginnt allmählich der Showdown. Spinne und Echse stürzen sich auf den Vampir und nehmen ihm Blut ab. Zusammen mit dem im Labor erzeugten Enzym entsteht nun das Zaubermittel, das die Echse endgültig in Conners zurückverwandelt (das riecht danach, als ob das Unsinn ist, aber sei’s drum). Morbius erhebt sich noch einmal zum letzten Gefecht und klaut das Reagenzglas, bevor das Mittel auch an der Spinne ausprobiert werden kann. Der Netzkopf nichts wie hinterher. Mit seinem Netz holt er Morbius aus der Luft. Der stürzt in den Hudson River (oder so); die Spinne kann ihn nicht retten, nur das Gegenmittel. Der Blutsauger geht nun schnell unter und ertrinkt. Unter Aufsicht von Dr. Conners tut die chemische Substanz nun auch bei der Spinne ihre Wirkung: Die vier zusätzlichen Arme verschwinden. Kurz wird noch Morbius nachgetrauert: „Vielleicht schlummert in jedem von uns ein Monster… das auf die Befreiung wartet… um uns zu vernichten!“ – „Wenn’s so ist, hast du dein Monster heute abend besiegt. Aber Morbius schaffte es nicht… und es tötete ihn. Und vielleicht… hat er das all die Zeit über gewollt!“

Zwei Herzen schlagen, ach, in meiner Brust. Einerseits versucht Roy Thomas deutlich mehr zu erklären, als das vorher üblich war. Das finde ich grundsätzlich anerkennenswert. Trotzdem sind diese Erklärungen ein Witz… man kann ihm nur seine Jugend zugute halten. Andererseits versucht hier ein neuer Autor, die Serienbegrenzungen auszudehnen, und das behagt mir überhaupt nicht. Thomas trat wohl mit der Überzeugung an, irgendwelche Geschichten mit Doc Ock, Kingpin oder dem Geier lohnten tendenziell nicht mehr, erzählt zu werden. Für mich ist das der Startpunkt von Veränderungen im Spider-Man-Universum, die es – jedenfalls für mich – letztlich gänzlich unlesbar gemacht haben. Lieber mehr Vampir-Titel auf den Markt werfen, als „Amazing Spider-Man“ zu einem zu machen. Okay, das ist ja auch nicht passiert, aber es war ein erster Schritt in die Richtung zu Klonen, neuen Spinnen und ähnlichem Unsinn. Dabei war in der Beziehung von Peter zu Gwen doch noch nichts richtig geklärt…



Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:40 Uhr)
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