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Alt 16.06.2018, 17:46   #118  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Am 8. Mai 2018 wäre Moebius, auf den schon in Post #90 hingewiesen wurde, 80 Jahre alt geworden. Der französische Comicautor (1938 - 2012) gehört zu den wichtigsten Künstlern seiner Generation, seine Werke haben Geschichte geschrieben. Sie beeinflußen bis heute den Nachwuchs, und wer sich ernsthaft mit dem Medium Comic befaßt, wird regelmäßig auf seine Werke verwiesen.
Wer sich in den 1960er Jahren als Comicautor etablieren wollte, brauchte eine Serie, die in einer Zeitschrift vorveröffentlicht wurde und später als Albenreihe erschien. Jean Giraud, wie Moebius bürgerlich hieß, zeichnete für die Zeitschrift Pilote, in der auch Asterix und Lucky Luke erschienen. Chefredakteur René Goscinny zielte auf ein Publikum von Teenagern und jungen Erwachsenen ab, ein älteres Publikum als die Konkurrenten Spirou und Tintin. Goscinny gewährte seinen Künstlern größere Freiheiten und glaubte sich damit auf der sicheren Seite.
Seine ersten Sporen erwarb sich Jean Giraud mit der Westernsere Blueberry nach Szenarien von Jean-Michel Charlier, die er mit Gir signierte. Seit 1968 verschärften sich die Spannungen, die im Mai 1972 in einem Aufstand um mehr künstlerische Freiheiten gipfelte. Die rebellischen Comicautoren nahmen ihre Serien mit und gründeten mehrere eigene Comicmagazine.
1975 befand sich Moebius unter den Gründern des Verlags Les Humanoïdes Associés, in dem das Magazin Métal Hurlant erschien, Schwerpunkt Science Fiction, Fantasy und Cyberpunk. Moebius testete seine Freiheiten zunächst mit kurzen Comics aus, die mit den klassischen Regeln brachen. Comicgeschichte machte er mit zwei Werken, die zunächst in Fortsetzungen erschienen:
  • Moebius: Arzach (1975 in Métal Hurlant, Les Humanoïdes Associés 1976), zuletzt in: Mœbius Œuvres : Arzach & Le Garage hermétique (Les Humanoïdes Associés 2018), deutsche Ausgaben: Arzach (Carlsen 1993, Cross Cult 2008), 56 Seiten
  • Moebius: Le Garage hermétique (Les Humanoïdes Associés 1979, 1988, 2000, 2006, 2011, 2012 und Stardom 2012), zuletzt in: Mœbius Œuvres : Arzach & Le Garage hermétique (Les Humanoïdes Associés 2018) deutsche Ausgaben: Die luftdichte Garage (Volksverlag 1983), Moebius Band 2: Die hermetische Garage des Jerry Cornelius (Carlsen Verlag 1990), Moebius Collection Band 2: Die hermetische Garage (Cross Cult 2008) 104 Seiten
Moebius vertraut seinen zeichnerischen Fähigkeiten und verzichtet auf erklärenden Text, der Mißverständnissen vorbeugt.
Arzach zeigt wortlos eine fremde Welt, durch die sich ein Humanoide auf einem Pterodactylus bewegt. Dabei bricht er das klassische Waffeleisen-Schema der frankobelgischen Comics zugunsten komplexer Tableaus auf. Stumme Panels waren zu der Zeit eher die Ausnahme und wurden bei Verfolgungsjagden genutzt. Arzach ist in dieser Hinsicht ein Manifest, das in Comics wesentlich mehr sieht als illustrierte Literatur und den künstlerischen Wert der Panels betont.

Für Le Garage hermétique nutzt Moebius die Technik des automatischen Schreibens (Cadavre Exquis). Die schwarzweiße Science-Fiction-Serie um Major Grubert und Jerry Cornelius sprengt das übliche Albenformat mit 48 farbigen Seiten auf. Die längere Erzählung ist wie ein Roman in sich abgeschlossen, während er diverse Klischees des Genres unterläuft. Auf den Seiten trifft sich New Wave Science Fiction mit dem Humor von Monty Python, woraus ein tiefgründiger Trip wird.
Später werden solche Comicromane in der Zeitschrift (à suivre) bei Casterman erscheinen, und heute werden sie als Graphic Novels vermarktet.

Geändert von Servalan (20.05.2020 um 22:13 Uhr)
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