Thema: Mark Twain
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Alt 18.10.2016, 08:41   #100  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Mark Twain – Tom Sawyer – Walter Trier


Im neusten „Alfonz“ wird in der Kolumne „Die obligatorische Kampfszene“ über das Comic-Buch „Das doppelte Lottchen“ von Isabel Kreitz nach Erich Kästner gestritten. Es geht hierbei auch um den Vergleich von Kreitz mit dem damaligen Illustrator Walter Trier. Dem einen – Ralf Trommler – erscheint eine Annäherung an Trier zu weit hergeholt, Trier ist für ihn „charmanter und Frecher“. Dem anderen – Stefan Svik - ist der Comic „ansprechender gezeichnet als Triers Illustrationen“…


Beim Lesen dieses Zwiegespräches fiel mir eine Erwerbung zu meiner Mark-Twain-Sammlung ein: Es ist eine Ausgabe von „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ im Williams & Co-Verlag / Berlin, vom Oktober 1947! ein. Das im A4-Format herausgegebene Buch im gehefteten Format ziert auf dem Umschlag eine Abbildung der Hauptfiguren Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Dieses Motiv und die weiteren Illustrationen des Buch/Heftes sind allesamt von Walter Trier. Ich persönlich finde sie in der Tat „charmant“, auch dem Zeitrahmen der Handlung sehr gut angepasst.








Das hier gezeigte und geschriebene hat natürlich nichts mit Isabel Kreitz zu tun, ich fand es aber so interessant, das ich hier darüber berichte. Das Trier Twain illustriert hat, war mir unbekannt und darum habe ich mir diese Ausgabe zugelegt. Der Menge der immerhin 65 Textseiten ist weitgehend identisch mit der der Ausgabe des Romans im Robert Lutz Verlag von 1897. Beim Querlesen habe ich nur geringfügige Textveränderungen festgestellt. Beispielsweise: „Die alte Dame zog ihre Brille gegen die Nasenspitze herunter und starrte darüber weg im Zimmer herum.“ Dieselbe Textzeile liest sich 50 Jahre später so: „Die alte Dame schob ihre Brille fast auf die Nasenspitze hinunter und schaute über sie hinweg im Zimmer umher.“ Das zweite Beispiel klingt etwas weicher in der Formulierung, ansonsten finde ich keinen wesentlichen Unterschied. Selbst einen heutzutage politisch völlig inkorrekten Begriff findet man in beiden Ausgaben, es ist der „Nigger“.
Interessanterweise gehörte der Williams & Co. Verlag einer Cecilie Dressler. „Das doppelte Lottchen“ von Isabel Kreitz ist nämlich ebenfalls im Dressler Verlag erschienen. Der Williams Verlag wurde 1924 von Edith Jacobsohn, der Ehefrau des „Weltbühne“-Herausgebers Siegfried Jacobsohn gegründet. Beide emigrierten nach 1933 und Cecilie Dressler bekam den Verlag überschrieben. Spezialisiert war er auf englischsprachige Kinder- und Jugendbücher. Dazu passt die Vorschau auf der letzten Umschlagseite des Tom Sawyer Buches/Heftes, in der die bisher erschienenen Titel genannt werden. Es waren „Pu der Bär“, von A.A. Milne, „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner, mit Illus von Trier?, den hier vorgestellten „Tom Sawyer“ und „Heidi“ von Johanna Spyri. Seit 1971 gehört der Verlag zum Oetinger Verlag Hamburg („Pippi Langstrumpf“). Wem es übrigens noch nicht aufgefallen sein sollte, der Preis des Buches/Heftes betrug RM 1,50, kam also noch vor der Währungsreform heraus, zweieinhalb Jahre vor der Gründung der Bundesrepublik und genau zwei Jahre vor dem Beginn der DDR heraus. Die Reihe erschien noch mit der Genehmigung der Nachrichtenkontrolle der Amerikanischen Militärregierung mit der Lizenz Nummer B 209.
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