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Alt 09.07.2006, 00:59   #12  
underduck
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Hier nochmal die Begrüßung von Herrn Dr. Otto Martin für all die Kunst & Comic-Fans, die vorgestern nicht nach Mainz kommen konnten.

Zitat:
Eröffnung der Ausstellung „Kunst & Comic“ im Kunstverein Eisenturm am 7. Juli 2006


zunächst darf ich sehr herzlich die beiden Aussteller – zwei Künstler – jeder in seinem Fach begrüßen:
Klaus Eberlein und Peter Wiechmann


Peter Wiechmann, Klaus Eberlein und Dr. Otto Martin

dann weiter aus München Frau Eberlein und aus aller Welt die gesamte Fan-Gruppe um Peter Wiechmann, seine Frau, seinen Sohn … und alle seine Freunde und Freundinnen aus nah und fern, aus Spanien/Barcelona eingeflogen – begrüße ich sehr herzlich Pepe Ferré, den ehemaligen Art-Director bei Comicon in Barcelona.






Peter Wiechmann mit Pepe Ferré

Die Ausstellung will Wiechmann und Eberlein in einen „optischen und inhaltlichen Kontrast“ setzen. Durchaus berechtigt, denn neben vielen Unterschieden gibt es auch viele Gemeinsamkeiten im Werk des Künstlers und des „Comicers“. Beide haben – ganz klassisch – einen Druck-Beruf gelernt, außerdem sind sie bereits zwei Mal gemeinsam kreativ gworden, auch wenn sie sonst auf Feldern gearbeitet haben, die weit voneinander entfernt sind. Eberlein und Wiechmann, beide leben in bzw. bei München, sind befreundet und haben in einem Abstand von fast 30 Jahren zwei Bücher gedruckt, zu denen Wiechmann die Texte lieferte und Eberlein mehrfarbige Linolschnitte.

Der Erstling, „Der Frosch, der in die Ferne will…“, entstand vor 30 Jahren in einer legendären Druckwerkstatt im Keller des Privathauses von „Fix & Foxi“ –Macher Peter Wiechmann. In dieser so genannten Kellerpresse verwirklichten Wiechmann und andere Comic-Macher aus dem Verlag von „Fix & Foxi“- Erfinder und Comic-Zar Rolf Kauka in ihrer Freizeit Druckprojekte. Sie luden sich auch immer wieder Künstler ein, Klaus Eberlein war einer von ihnen. Wiechmann und Eberlein blieben in Kontakt – und ließen 1994 noch ein zweites Buch folgen, diesmal mit dem Titel „Erinnerungen sind Geschichten“. Das erste, ein Handpressendruck in kleiner Auflage, in ungewöhnlichem Format, auf hochwertigem Papier und schön gebunden. Das zweite Werk: gedruckt in Dornbirn in Buchdrucktechnik mit einer Buchdruckmaschine.

Der Künstler und der „Comic-Macher“ Peter Wiechmann, gelernter Schriftsetzer, fand über den Journalismus zu den Comics, prägte seit Mitte der 60er Jahre als (Chef)-Redakteur, Blattmacher, Serienerfinder, Sprechblasenfüller viele Jahre lang die deutsche Comic-Produktion. Etwa bei Kauka-Titeln wie „Fix & Foxi“ und „Primo“, aber auch bei „Zack“ „Yps“ und vielen weiteren Comic-Heften mehr. Er nennt sich selbst „Ideenmensch und Dompteur der Comic-Zeichner“ ( saftige Formulierung).

Klaus Eberlein (Jahrgang 1941) durchlief eine Ausbildung als Chromo-Lithograf, Training des seitenverkehrten Denkens, anschließend war er Meisterschüler an der Akademie der Bildenden Künste in München. Er ist ein gefragter Zeichner, Radierer, Linol-und Holzschneider, Bildhauer und Buchgestalter. Mehr als 60 Bücher hat er illustriert, seine Arbeiten wurden von namhaften Museen angekauft. Unter anderem ist er in folgenden Institutionen vertreten:

Graphische Sammlung, München
Bayr. Staatsbibliothek, München
Rijksmuseum Merrmanno-Westreenianum, Den Haag
Museum der jüdischen Kunst, Jerusalem
Britsh Library, London
Bibliotheque Nationale, Luxembourg
Vatikanisches Sammlungen, Rom
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg
Österr. Nationalbibliothek, Wien
Sächsische Landesbibliothek, Dresden

Klaus Eberlein liebt das in der Umwelt wahrnehmbare Gegenständliche, viele seiner Arbeiten weisen aber auch Einflüsse aus dem Surrealen auf.
Im Eisenturm präsentiert er Farbradierungen von drei bis vier Platten (Farbabzüge passgenau!), dann eine Gruppe von Aquatinta-Radierungen (in reduzierter Farbigkeit) im Annexraum zu sehen – all dies sind kleine Auflagendrucke – es begegnen Ihnen aber auch Radierungen – Unikate – die mit Farbstiften überarbeitet sind – keine Auflage also – sondern Einzelstücke … in die Schwarz-Weiß-Silhouettierung sind dabei die Farbschichten gesetzt, etwa die Illustrationen zu dem Band „mädchen/frauen/mädchen“ von Kafka – d.h. zum Kompendium dessen, was Kafka in seinem Gesamtwerk zu diesem Thema geäußert hat …
immer wieder taucht darin das Selbstbildnis des Künstlers auf, der sich beispielsweise einem Akt im Gehäuse annähert: „ein Hauch von Ewigkeit“ genannt. Dann auch das klassische Thema: Modell und Maler – auch hier der Künstler sich selbst inszenierend.
Eine schöne Liebeserklärung an seine Vaterstadt München mit dem Titel „Stadt meiner Träume“ (Selbstbildnis) ist in Holz und Linol geschnitten.

Surreale Figurationen/Keramiken/ genannt „Schneckenbrüste“ und „kleiner Schweine-Reiter“ halten die Fensterbänke besetzt.
Antiquitäten/ objets trouveés/ in ein phantasievolles Wesen geformt – leicht, spielerisch, zum Schmunzeln und zum schnell entschlossenen Mitnehmen gedacht.

Peter Wiechmann der bekennende „Nicht-Comic-Leser“ präsentiert einen Querschnitt seiner Ideen-Kreativität über Jahrzehnte hinweg – einen sehr reduzierten Querschnitt zugegeben – der Querschnitt ist verbunden mit einigen Exponaten aus der Geschichte der Kunstgattung COMIC.

So finden Sie etwa aus dem Jahre 1905 „Little nemo“ einen der ersten künstlerischen Comics aus dem Hauses des amerikanischen Pressezaren Hurst,( mehrfarbig aus den Kindertagen des Offsetdrucks) –


Fix & Foxi und Lupo sind selbstverständlich Akteure dieser Ausstellung/ Originale, die damals – etwa 1954 – pro Seite Originalzeichnung dem Künstler 20 DM (!) einbrachten…


Andere Comic-Seiten zeigen die einzelnen Korrekturschritte – von der Idee bis hin zum Original … „Wie mache ich Comics?“


Dicht dokumentiert sind Abenteuer-Serien wie die Primo oder Yps-Reihe…


Einen besonderen Leckerbissen stellt die architektonische Ansicht des authentischen „Entenhausen“ dar.


Gestalt-und Farbfreude pur: Die „witzige Weltgeschichte“ rund um Doktor Eisenbart (Galerie).

Die wertvollen Comic-Bilder stammen aus Wiechmanns Beständen, außerdem sind Leihgaben aus dem Archiv des Kauka-Verlags dabei,für den Wiechmann viele Jahre gearbeitet hat. Alexandra Kauka, die dem Fuchs-Fürsten Rolf Kauka (1917-2000) nach seinem Tod etwa als erfolgreiche Herausgeberin des neuen „Fix & Foxi“-Magazins an die Spitze des Comic-Konzerns gefolgt ist, hat Wiechmann die wertvollen Originale zur Verfügung gestellt.

„Kunst & Comic“ sollen hier in ein Gegenüber gesetzt werden, das überrascht! Sind Comics demnach keine Kunst?“ Dieser Titel ist natürlich schon etwas provokant, Peter Wiechmann hat ihn angeregt… natürlich zählt die Gattung Comic zur Kunst … Diese Kämpfe, ob Kunst oder Kitsch, ob Schundliteratur oder Lesenswertes … dies sind Vokabeln aus einer recht militanten Auseinandersetzungsphase, die ein halbes Jahrhundert zurückliegt und die vor einem Hintergrund stattgefunden hat, der sich nie und nimmer eine Bilderflut in der Öffentlichkeit hätte vorstellen können, wie sie für uns seit mehreren Jahrzehnten längst selbstverständlich geworden ist…

Es gab natürlich auch unter den aufwertungsbemühten Comic-Machern die schöne Wort-Wert-Schöpfung: „Neunte Kunst“.
... hier endet leider der Text der Mail.

Das in diesem Beitrag benutzte Bildmaterial stammt vom ComicGuide und kann mit Quelleangabe genutzt werden.
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