Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 21.05.2006, 22:54   #140  
sevenmileboots
Gesperrt
 
Ort: Ludwigsburg
Beiträge: 3
Standard liberty - ein amerikanischer traum 1-4

ich habe gerade ,liberty 1-4' von miller/gibbons gelesen: großformatige alben, die anfang der neunziger als übertragung beim carlsen-verlag erschienen.
es handelt sich dabei um eine krasse abrechnung mit dem amerikanischen traum von freiheit und wohlstand, der nur als äußere fassade verwirklicht wird.
martha washington, eine farbige niemandin, wird 1995 in einem künstlichen armenviertel geboren, in das außenseiter der gesellschaft abgeschoben werden. schon als kind lernt sie die unerbittlichen härten ihrer gesellschaft kennen, die von unterdrückung, korruption, gewalt und kälte beherrscht wird. durch eine gewalttat, die sie aus angst begeht, landet sie in der geschlossenen abteilung der psychiatrie. die einzige möglichkeit, von dort frei zu kommen, besteht darin, sich für die militärische sondereinheit ,pax' zu melden, weil dann ihr sündenregister gelöscht wird. allerdings dient sie dann als kanonenfutter auf den zahlreichen kriegsschauplätzen, die amerika sich ständig selbst erschafft. sie tut es trotzdem und lernt eine neue form von härte kennen: colonel moretti, ihr vorgesetzter, entwickelt sich zu ihrem unerbittlichen gegenspieler.
die story bringt haarsträubende einzelheiten aus einer nahen zukunft der ersten zehn jahre des neuen jahrtausends, gesehen aus der perspektive der neunziger jahre. nicht umsonst ist eine schwarze frau die hauptfigur, denn sie kann für alles stehen, was in ihrem land getreten und benachteiligt wird.
,liberty' ist satirische selbstkritik eines dekadenten amerika, gezeichnet im kalten superhelden-stil, mit reichlich action und gewalt. immer wieder werden fiktive fernsehsendungen, zeitungsberichte und illustrierten-artikel eingestreut, welche die handlung zerschneiden und dem leser kritischen abstand ermöglichen. vieles daran ist abstoßend und schockierend - aber nicht abstoßender als die wirklichkeit, die hier verzerrt dargestellt wird.
,liberty' ist wie eine kulturelle waffe, die ein heruntergekommenes land in selbstmörderischer absicht aus ekel gegen sich selbst richtet. es ist kühne nestbeschmutzung, ehrliche selbstkritik, höhnischer spott und plädoyer für eine (unsichtbare) neue menschlichkeit zugleich.
Ich bewundere den mut und die entschlossenheit, mit der die macher ihr ziel bis zum schockierenden, bitteren ende geführt haben. lesenswert!

Geändert von sevenmileboots (09.06.2006 um 12:08 Uhr) Grund: hatte keinen titel
sevenmileboots ist offline   Mit Zitat antworten