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Alt 27.12.2021, 10:49   #299  
Peter L. Opmann
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Conan the Barbarian # 36 / Marvel-Superhelden-Comic-Taschenbuch: Conan # 4 / Conan der Barbar, Classic Collection # 2

Erscheinungstermin:
März 1974 / 1980 (?) / 2019

Story-Titel: Fürchtet Hyrkanier, die Geschenke bringen!

Original-Storytitel: Beware the Hyrkanians bearing Gifts…!

Zeichnungen: John Buscema und Ernie Chua

Text: Roy Thomas

Übersetzung: Burn-E

Diese Episode gefällt mir graduell besser als die, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Es gibt ein paar Variationen der üblichen Story-Versatzstücke, und es wird eine richtige Dramaturgie aufgebaut, aber nicht weiterverfolgt. Wir erfahren im Vorwort zur Classic Collection, daß Roy Thomas zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder mal eine Original-„Conan“-Story zugrundegelegt hat. Das heißt, sie stammt aus dem Aufsatz „An Informal History of Conan the Cimmerian“ von Lyon Sprague de Camp, der auf einen Fan-Text zurückgeht, den Howard noch zu Lebzeiten abgesegnet hatte. Das könnte manches erklären, denn Robert E. Howard war zwar gewiß kein großer Schriftsteller, aber er hatte doch mehr drauf, als nur immer die gleichen Klischees zu verwenden. Thomas schreibt weiter, daß John Buscema hier das Cover zeichnen mußte, was er offenbar nicht so gern tat. Im Buch ist allerdings Ernie Chua als Zeichner und Inker angegeben, und John Romita sr. hat das Werk wieder überarbeitet.

Was an der Story Interesse weckt, sind die unterschiedlichen Rollen, die Conan übernimmt. Er wird Mitglied der Garde von König Yildiz, was bei mir ein paar Überlegungen auslöste: Die bestehende Leibwache macht tatsächlich nicht viel her und braucht Verstärkung, aber ist Yildiz jemand, vor dem Conan Respekt hat und dessen Willen er sich beugt? Yildiz wird ein bißchen weichlich und verfettet gezeichnet, scheint aber nicht dumm zu sein. Mit etwas gutem Willen ist nachvollziehbar, daß Conan diese Aufgabe übernimmt. Außerdem wird Conan zum heimlichen Liebhaber der Freundin des Chefs der Garde, Narim Bey – sie heißt Amytis. Es gibt einen Soldaten, der durchschaut, was zwischen Conan und Amytis läuft, und der einige Male stichelt, während Narim-Bey vorerst ahnungslos bleibt und die Söldner-Fähigkeiten von Conan schätzt. Daraus hätte sich manches machen lassen, aber am Ende bleibt die gefährliche Affäre irgendwie bedeutungslos und versandet.

Was genau geschieht? Conan reitet mit letzter Kraft in Yildiz‘ Hauptstadt Aghrapur ein, um von den jüngsten Ereignissen zu berichten. Als er vor dem König steht, bricht er ohnmächtig zusammen. Im Harem von Amytis (ausgerechnet…) wird er wieder auf die Beine gebracht. Inzwischen hat Yildiz seine Garde inspiziert und seine Unzufriedenheit geäußert. Conan wird also in den Haufen aufgenommen, muß aber erstmal den Umgang mit Pfeil und Bogen, Speer und Streitaxt üben (Anlaß für eine Doppelseite). Während sich Conan immer wieder ungesehen an Amytis heranmacht, führt Yildiz eine kopflose Steinskulptur vor. Der Kopf soll sich in der Stadt Dimmorz befinden, die er gerade belagern läßt. Und da wird er auch schon von einem Priester gebracht. Yildiz selbst vervollständigt das Standbild, das (kaum verwunderlich) sofort zum Leben erwacht und Amok läuft. Es kommen zwar etliche Soldaten ums Leben, aber Yildiz bleibt überraschenderweise unversehrt. Conan kann allerdings gegen das Steinwesen nichts ausrichten. Da wirft er (auch wenig überraschend) seine Axt nach dem Priester und tötet ihn; sogleich weicht das Leben aus der Statue, und sie verliert ihren Kopf. Kurz erörtert Yildiz die Möglichkeit, daß gerade ein Attentat auf ihn verübt worden sein könnte. Aber Narim-Bey beendet diese Überlegungen, indem er vorschlägt, Conan auf eine Mission in den Norden zu senden. Conan scheint davon nicht begeistert zu sein (wird aber dennoch brav in den Norden ziehen).

Man sieht: Aus den guten Ansätzen wird nichts gemacht. Bevor sich aus seiner Affäre mit Amytis ein Konflikt entwickeln kann, zieht Conan schon weiter. Außer einem Duell mit Narim-Bey könnte man sich ja noch manches andere vorstellen. Auch Conans Beziehung zu König Yildiz kommt mir nicht uninteressant vor, aber auch hier geht eigentlich nichts voran. In meinen Augen wäre hier ein Mehrteiler angebracht gewesen, was zu dieser Zeit bei Marvel ja schon lange nicht mehr unüblich war. Aber bei „Conan“ hat man davor offenbar doch zurückgeschreckt. Sofern es Mehrteiler gibt, machen sie die Handlung zumindest nie komplexer. Was die Arbeit von Buscema und Chua betrifft, ist mir aufgefallen, daß hier häufig filmische Mittel eingesetzt werden, etwa wenn Narim-Bey den heranreitenden Conan bemerkt oder wenn Dienerinnen die Haremstür hinter Conan und Amytis schließen. Yildiz ist wieder ein wenig karikaturistisch angelegt; Amytis hat kein Dutzendgesicht, sondern bringt Klugheit, Machtbewußtsein und auch etwas Arroganz zum Ausdruck.
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