Thema: Filmklassiker
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Alt 18.02.2024, 06:14   #1901  
Peter L. Opmann
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Noch ein Film von Wellman, der bei mir auf derselben Cassette ist wie „Ritt zum Ox-Bow“. Auch ein Western (im weiteren Sinne), aber ein ganz anderer Film: „Buffalo Bill, der weiße Indianer“ (1944). Dieser Film war eine Bedingung gewesen, unter der die 20th Century Fox der Realisierung von „Ritt zum Ox-Bow“ zugestimmt hatte. Das war ein Kinostück, wie es sich das Studio vorstellte, und, wie ich gelesen habe, war das einer der erfolgreichsten Filme der Fox bis dahin. Wellman hätte ihn wohl nicht gedreht, wenn er sich nicht dazu verpflichtet hätte – er mochte ihn überhaupt nicht. Man kann sich das Werk unter verschiedenen Aspekten ansehen. Als Abenteuermärchen finde ich das noch immer ansprechend. Als Biopic über William F. Cody, der es als „Buffalo Bill“ bis zum Comichelden brachte, ist es sehr zweifelhaft. Und die Darstellung der amerikanischen Ureinwohner erscheint mir äußerst zwiespältig.

Was den Film für mich unterhaltsam macht, ist sein Wechsel zwischen leiser Ironie und demonstrativer Naivität. Auch wer über das Leben des echten Buffalo Bill nichts weiß, kommt schnell darauf, daß es so wie im Film dargestellt sicher nicht gewesen sein kann. Aber immerhin ist es ein mit Humor gewürzter, gut gemachter Actionfilm. Über die Rolle, die die Indianer spielen, gehen die Meinungen auseinander. Bornierte Politiker in Washington tönen hier ungeniert: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Und Buffalo Bill verwendet die starke Aussage: „Der einzige Indianer, der Sie interessiert, ist dieser hier“, wobei er eine Geldmünze mit aufgeprägtem Indianermotiv auf die Tischplatte wirft. In dem Buch „Edle Wilde, rote Teufel. Indianer im Film“ heißt es dagegen: „Die Sioux und die Cheyenne wurden – mit Ausnahme ihres Häuptlings, besetzt mit Anthony Quinn – von Navajos gespielt, die sich nach Presseberichten während der Dreharbeiten über die Kostüme, die sie tragen mußten, halb kaputtlachten.“

Zum Plot: Als er durch die Prärie reitet, stößt Buffalo Bill (Joel McCrea) auf eine von Indianern angegriffene Postkutsche, deren Insassen überlebt haben. Er versucht, Verständnis für die fremde Kultur zu wecken, lernt dabei aber auch seine spätere Frau (Maureen O’Hara) kennen. Er dient der US-Armee als Scout und bewahrt seine Truppe, indem er sich in Indianerhirne hieindenkt, ein ums andere Mal vor schweren Niederlagen. Zum Konflikt ist es gekommen, weil eine Eisenbahnlinie mitten durchs Indianergebiet gebaut werden soll – die Geschäftsleute meinen, dafür müßten die Roten doch Verständnis haben, denn jede andere Route wäre viel zu teuer. Später werden ihnen auch noch von jagdlustigen Weißen sämtliche Büffel weggeschossen. Nebenbei bekommen wir mit, wie sich McCrea und O’Hara, eine feine Dame aus dem Osten, allmählich näherkommen. McCrea ist ein einfacher, ungebildeter Naturbursche, der durch seinen natürlichen Anstand dennoch ihr Herz gewinnt und sie heiratet.

Das Paar bekommt einen Sohn, aber als McCrea mit der Armee in den Indianerkrieg zieht, statt mit Frau und Kind in den Osten zurückzukehren, verläßt sie ihn. Er besiegt Häuptling Anthony Quinn im Zweikampf, wird aber wegen einem wieder einmal mißachteten Befehl unehrenhaft aus der Armee entlassen. In diesem Moment trifft die Nachricht ein, daß der amerikanische Präsident ihm eine Tapferkeitsmedaille verleihen will. Im Osten erfährt er, daß sein Sohn an der Zivilisation (Diphtherie) gestorben ist. Ein Versöhnungsversuch mit O’Hara scheitert. Weil er nicht weiß, wovon er leben soll, wird er zur Attraktion einer Schießhalle. Einerseits ist er eine Berühmtheit, andererseits bezweifeln viele seine früheren Heldentaten. Dann holt ihn aber seine Frau von dem Schießstand weg, und Freunde ziehen mit ihm eine große Wildwest-Show auf, mit der er, nun von allen umjubelt, durch die gesamten Staaten und Europa tourt. Alt geworden, kündigt er schließlich seine Rückkehr mit seiner Frau in den (ehemals) wilden Westen an.

Wellman und sein Filmteam sollen sich genau über die wirkliche Biografie von Buffalo Bill informiert haben. Es kam aber dann die Legende und nicht die Wahrheit aufs Zelluloid. Auf jeden Fall fällt auf, daß der Held mitten im Film die gesamte Indianerproblematik ungelöst hinter sich läßt. Eine Lösung gab es ja auch nicht, aber wir sehen nur noch die Buffalo-Bill-Show mit ein paar Indianer-Darstellern. Dennoch war der Film seiner Zeit gewiß voraus, weil hier Indianer nicht bloß mordend und brennend durch die Gegend reiten und dann von aufrechten Weißen über den Haufen geschossen werden. Da gibt es ein paar individuelle Charaktere, die auch nachvollziehbare Motive für ihr Handeln haben. (Das gab’s später in den deutschen Karl-May-Western auch.) Und McCrea steht moralisch eher auf ihrer Seite als auf der der Army. Freilich würde ihm nie einfallen, die Seiten zu wechseln. McCrea spielt einen Heldentypus, der nicht weit von dem eines Erroll Flynn entfernt ist; er ist lediglich schüchterner und bescheidener. Also als Filmfantasie kann ich „Buffalo Bill“ empfehlen. Über seine Aussage sollte man nicht allzu viel nachdenken.
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