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Alt 17.01.2024, 11:04   #1844  
God_W.
Captain Rezi
 
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Der Fall von Gondolin (J. R. R. Tolkien)

Nachdem mich die Einzelbandumsetzung von „Beren und Lúthien“, der zweiten der drei großen Geschichten des ersten Zeitalters von Mittelerde, nur teilweise begeistern konnte, ließ ich etwas Zeit vergehen, bevor ich mich an die dritte und letzte große Geschichte dieser Epoche heranwagte. Wie sich zeigt war das eine recht gute Idee. Erneut hat mich, nach fast genau einem Jahr, eine Runde „Der Ringkrieg“ (Brettspiel) wieder angefixt und zurück nach Mittelerde gebracht.

„Der Fall von Gondolin“ erzählt nun nicht nur von der letzten großen Schlacht um die Juwelenstadt Gondolin und deren Untergang, sondern auch die Lebensgeschichte und Heldenreise des Menschen Thuor, Sohn von Huor (Húrins Bruder), und vor allem Ehemann von Königstochter Idril Celebrindal und somit Vater des legendären Earendil, dem Vater von Elrond von Bruchtal, was Thuor infolgedessen zum Großvater Arwen Abendsterns macht. Ihr seht schon, mittlerweile bin ich so weit, dass mich Stammbäume und dergleichen aus Tolkiens Welt nicht mehr nur nerven, sondern mich die familiären Zusammenhänge gar interessieren.



Wiedergegeben und beleuchtet werden hier, wie bereits zuvor bei „Beren und Lúthien“, verschiedene Versionen dieser Lebensreise, die J. R. R. Tolkien im Laufe seines Schaffens erdachte und mehrfach überarbeitete. Im Kern haben wir es aber mit dem mutigen und klugen Thuor zu tun, der von seiner Mutter in der Wildnis geboren, von Elben großgezogen und ausgebildet wurde und später in Gefangenschaft/Sklaverei geriet. Nachdem ihm die Flucht gelang schlug er sich einige Jahre als Gesetzloser durch, bevor ihm von der Meeresgottheit Ulmo der Auftrag zuteilwurde die verborgene Stadt Gondolin zu finden, der letzten Heimstätte freier Elben, der jedoch schon bald allergrößte Gefahr drohen könnte.

Was folgt ist ein großes Abenteuer voller Gefahren, aber auch starken Freundschaften, großer Liebe und Tapferkeit, Neid, Eifersucht und Verrat der hinterhältigsten Sorte, bis zu spektakulären Schlachten, gnadenloser Vernichtung und am Ende einem Hauch von Hoffnung.



Wer das „Buch der verschollenen Geschichten“ gelesen hat, kennt den größten Teil der hier vorliegenden Erzählung bereits, jedoch nicht die ausführliche Auseinandersetzung und Aufdröselung von Seiten Christopher Tolkiens, der es mit satten 92 Jahren noch zuwege brachte diese Zusammenstellung aus dem Fundus seines Vaters zu veröffentlichen und in den richtigen Kontext zu setzen. Meinen größten Respekt dafür. Das Silmarillion beinhaltet nur kleine Auszüge aus dem Inhalt des hier vorliegenden Buches, und da ich die „Verschollenen Geschichten“ nicht gelesen habe, gab es viel Neues für mich zu entdecken.

C. Tolkien geht hier chronologisch in der Entstehung der einzelnen Versionen und Teilstücke der Geschichte vor. Da J. R. R. Tolkien die Ankunft Thuors in Gondolin und die Geschehnisse, die zum dramatischen Finale der Mär führen als erstes schrieb, bekommen wie diese auch zu Anfang serviert und die Varianten von Thuors abenteuerlichem Weg dahin erst im Nachgang. Die Gesamtheit der wundervollen Geschichte und, wie sie ohne die ein oder andere Ungereimtheit in Gänze hätte aussehen und wirken können, darf sich der Leser also selbst im Kopf zusammenbauen, was bei mir reichlich großartige Bilder geweckt hat. Was könnte man das in ausformulierter, etwas ausgeschmückter Form im Rahmen einer hochwertig produzierten Serienstaffel bildgewaltig, spannend und wunderschön auf die Mattscheibe bringen! Mal ehrlich, eine Armee von Balrogs? Wer würde DAS nicht gerne sehen?



Natürlich haben wir hier, genauso wie bei „Beren und Lúthien“, im Grunde eine Wiederverwertung bekannten Materials, nur dass die eigentliche Geschichte diesmal mehr Raum einnimmt, und ich viele Teile noch nicht kannte. Für mich deshalb im direkten Vergleich deutlich vorne und mit größerem Mehrwert, aber durch die Darreichungsform als inkohärentes „Stückwerk“ dennoch wieder nur für Fans und sehr stark interessierte Leser zu empfehlen. Das erneut von Alan Lee illustrierte Buch an sich, mit Lesebändchen und Einlegekarte wie mittlerweile gewohnt, ist wieder sehr schön gelungen.

7,5/10

VG, God_W.
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