Thema: Filmklassiker
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Alt 08.09.2023, 08:56   #1559  
Peter L. Opmann
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Dieser Film ist als DVD günstig zu bekommen, den müßte ich also nicht so dringend digitalisieren. Aber den Vergleich mit „Lady für einen Tag“ finde ich ganz aufschlußreich. Hier also das Remake „Die unteren Zehntausend“ (1961), ebenfalls von Frank Capra. Der Originaltitel ist „Pocketful of Miracles“; er deutet an, daß es nun noch märchenhafter wird. Akzeptiert man das, dann gibt es gegen das Werk nichts Gravierendes einzuwenden. Allerdings ist es ein Beispiel dafür, daß ein Regisseur sich lieber eine schlechte Vorlage aussuchen sollte, statt eine gute, an der sich nicht viel verbessern läßt. Mir drängt sich der Gedanke auf: Capra muß einfach daran gelegen gewesen sein, einen sicheren Erfolg zu wiederholen.

Er hat ganz offensichtlich selbst gewußt, daß sich seine Komödie von 1933 kaum verbessern ließ, und deshalb ganze Szenen noch einmal exakt genauso inszeniert. Nur ließ er die Schauspieler ihre Darstellung deutlich dicker auftragen. „Die unteren Zehntausend“ ist weitaus opulenter als das Vorbild, und der Film ist mehr als eine halbe Stunde länger. Die Stars verleihen dem Remake mehr Glanz (wobei ich nicht weiß, ob die Darsteller in „Lady für einen Tag“ nicht auch Stars ihrer Zeit waren, zumindest Warren William und May Robson). Aber Capra kann damit nichts hinzufügen, was in dem alten Film nicht bereits da war.

Die Handlung brauche ich nicht nochmals zu erzählen. Bette Davis ist Apfel-Annie, Glenn Ford der Gangsterkönig, Hope Lange (die zu dieser Zeit noch eine größere Karriere vor sich zu haben schien) die mitfühlende Nachtclubsängerin, Thomas Mitchell der Billardhai, der sich als „Richter“ anreden läßt, Ann-Margret Annies Tochter. Eine größere Rolle als im alten Film hat Glenn Fords rechte Hand, gespielt von Peter Falk, dem man das Überspielen vielleicht am deutlichsten anmerkt. Capra fügt zudem eine Rahmenhandlung hinzu, die das Gangstermilieu stärker herausarbeiten soll: Ein Konkurrent von Ford aus Chicago (Sheldon Leonard) möchte in New York ins Geschäft einsteigen, und er macht Anstalten, darauf einzugehen, wenn Leonard ihm das angemessen bezahlt. Allerdings löst sich die Nebenhandlung am Ende in Wohlgefallen auf, da sich die beiden Gangster einfach einigen.

„Die unteren Zehntausend“ ist als modernes Märchen nicht schlecht. Aber das Original würde ich doch auf jeden Fall bevorzugen – weniger gekünstelt, anrührender, und die Gangsterkulisse der Prohibitionszeit mußte 1933 auch noch nicht so angestrengt nachgestellt werden. Der englischen wikipedia ist zu entnehmen, daß es größere Probleme gab, den Cast zusammenzustellen. Viele Hollywoodstars hielten die Story des Films für zu altmodisch, und es gab auch Animositäten zwischen mehreren Persönlichkeiten. Für Bette Davis war es schließlich ein Comeback, nachdem sie 1956 zuletzt auf der Leinwand zu sehen gewesen war. Zwar überstiegen die Einnahmen von rund fünf Millionen Dollar die Kosten des Films von 2,9 Millionen Dollar, aber es heißt, für Capra sei er ein Verlustgeschäft gewesen. Zumindest gab es ein paar Oscar-Nominierungen und je einen Golden Globe für Glenn Ford und Ann-Margret.
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