Thema: Filmklassiker
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Alt 14.07.2023, 06:18   #1384  
Peter L. Opmann
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Wenn ich in einem Laden das DVD-Angebot durchsehe, ist mir oft nicht klar, daß Filme um die fünf Euro nicht ohne Grund zu diesem Preis angeboten werden. „Das Todeshaus am Fluß“ (1950) von Fritz Lang habe ich erst vor einem halben oder Dreivierteljahr gekauft und mir jetzt erstmals angesehen. Das Werk ist eine Republic-Produktion, was in diesem Fall vor allem dadurch zum Ausdruck kommt, daß keine teuren Stars mitwirken. Außerdem ist der Film in voller Länge auf youtube zu sehen. Und doch war der Kauf für mich kein Fehler. Auf der Hülle steht: „50er Jahre Film noir Kult in deutscher DVD-Erstauswertung“. Naja, in meinen Augen ist das weder ein Film noir noch ein Kultfilm, aber doch sehr interessant. Wie ich gelesen habe, zählte ihn Filmkritikerin Frieda Grafe zu ihren 30 Lieblingsfilmen (wie übrigens auch „Der kleine Horrorladen“.

Louis Hayward ist ein Schriftsteller, der noch auf seinen Durchbruch wartet. Er wohnt mit seiner Frau Jane Wyatt in einem viktorianischen Gruselhaus an einem Fluß. Als seine Frau mal nicht da ist, nähert er sich aus einem Impuls heraus der hübschen Haushälterin Dorothy Patrick, die ihn aber abwehrt, worauf er sie halb aus Versehen erwürgt. Sein Bruder Lee Bowman, der dazukommt, muß ihm helfen, die Leiche in einen Sack zu stecken und im Fluß zu versenken. Nachbarn und Freunden gegenüber versucht er, den Anschein zu erwecken, als ob das Mädchen unzuverlässig gewesen und aus eigenem Antrieb verschwunden sei. Gegenüber seiner Frau wird er reizbar und abweisend. Aber er hat nun Erfolg, weil er durch das Rätsel des vermißten Mädchens bekannt wird. Außerdem will er sich nun freischreiben, indem er sein eigenes Erlebnis in einem Roman verarbeitet.

Der Fluß läßt schließlich die Leiche wieder auftauchen. Die Polizei beginnt zu ermitteln, und es kommt zu einem Gerichtsverfahren, das Hayward und Bowman nur mit Mühe überstehen. Bowman, der als Mitwisser sichtlich unter Druck steht, und Wyatt, die sich von ihrem Mann zunehmend entfremdet fühlt, nähern sich einander an, aber im Rahmen der Schicklichkeit. Schließlich erklärt Bowman jedoch seinem Bruder bei einem Treffen am Fluß, daß er nicht mehr bereit ist, dessen Tat zu decken. Darauf schlägt ihn Hayward mit einer Eisenkette nieder und stößt ihn ins Wasser. Dann kehrt er zu seiner Frau zurück und ertappt sie dabei, wie sie sein Manuskript liest – was er ihr ausdrücklich verboten hatte. Da sie nun alles weiß, erdrosselt er sie wie Patrick. Den Schluß verrate ich nicht – er ist nicht grandios, aber immerhin steigert Lang den Wahnsinn auch nach den beiden Morden noch weiter.

Für mich ist das eher ein Melodram als ein Film noir. Die Zeit, in der die Geschichte spielt, bleibt etwas unklar: Es gibt Telefon und elektrisches Licht, teilweise entsteht aber der Eindruck, wir wären im 19. Jahrhundert. Ein richtiger Film noir müßte jedoch in der Gegenwart (also in den 40er/50er Jahren) spielen. Das Verhängnis, das unaufhaltsam seinen Lauf nimmt, spricht zwar für die schwarze Serie, doch das Besondere hier sind die emotionalen Beziehungen und wie sie sich unter der Last von Verbrechen und Schuld verändern. Mich hat die schauspielerische Leistung von Hayward beindruckt. Er ist eine Jack-Nicholson-Figur – ein Sonnyboy, der sich als selbstsüchtig und zynisch erweist -, aber Nicholson spielte so etwas erst etwa 25 Jahre später.

Fritz Lang, der nicht unter den Nazis arbeiten wollte, hat sich in Hollywood dem Studiosystem weitgehend angepaßt. So mußte er auch akzeptieren, daß er, nachdem sein Film „Geheimnis hinter der Tür“ gefloppt war, erstmal keinen neuen Auftrag bekam und dann nur einen Billigfilm machen konnte. „Das Todeshaus am Fluß“ war in Deutschland nie im Kino und erst 1986 erstmals im Fernsehen. Leider habe ich nichts dazu gefunden, wie gut dieser Film (in USA) gelaufen ist, aber die Voraussetzungen waren nicht gut, daß es ein Riesenerfolg werden konnte. Lang hat aber die beschränkte Produktion offenbar gut getan. Es ist ein recht unamerikanischer Film geworden; die düstere Atmosphäre ist dicht und auch heute noch beklemmend. Lang hat ein paar Jahre später immerhin so wichtige Filme wie „Engel der Gejagten“ („Rancho Notorious“), „Heißes Eisen“ oder „Das Schloß im Schatten“ gedreht. Ich kann das Urteil von Frieda Grafe über „Das Todeshaus am Fluß“ durchaus nachvollziehen, obwohl ich ihn nicht zu meinen 30 Lieblingsfilmen zählen würde. Aber den sehe ich mir bestimmt nochmal an.

Geändert von Peter L. Opmann (14.07.2023 um 07:01 Uhr)
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