Thema: Filmklassiker
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Alt 25.04.2023, 06:11   #1158  
Peter L. Opmann
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Nachdem wir kürzlich „Menschen am Sonntag“ betrachtet haben, fand ich einen weiteren Dokumentarfilm passend, nämlich „Edgar G. Ulmer – the Man Off-Screen“ (1994) von Michael Palm. In dieser Doku kommen ziemlich viele Leute zu Wort, Filmwissenschaftler, Regisseure, Freunde und Verwandte, Filmfans. Ich habe deshalb darauf verzichtet, sie alle zu nennen. Ich denke, man kann ihre Aussagen auch so verstehen und mehr oder weniger zuordnen. Ich nenne auch nicht alle Filme, von denen Ausschnitte gezeigt werden, weil etliche von ihnen gar nicht in Deutschland gelaufen sind oder jedenfalls keine Synchronisation existiert.

Der Film beginnt auf dem Hollywood-Friedhof hinter dem Paramount-Studio, wo auch Ulmer begraben ist. Ihm wird Ulmers Aussage vorangestellt: „Ich habe nichts gegen Kommerzdenken, aber es darf nicht die Kreativität ersticken.“ Ulmer gilt als „König des B-Films“.

Roger Corman: Die ursprüngliche Bedeutung war: die zweite Hälfte eines Doppelprogramms. In der Depression zeigten die Kinos zwei Filme zum Preis von einem. Die B-Filme waren das Beiwerk.

Manchmal will man statt Hummer lieber einen Cheeseburger. Den Charme eines B-Films macht seine Menschlichkeit aus, seine Schwächen. Er ist persönlicher. Man sagt oft, daß die falschen Regisseure Oscars bekommen – die B-Regisseure hätten sie verdient. John Ford hatte für seine Filme alles zur Verfügung: Stars, Budgets, Drehzeit. Edgar Ulmer mußte aus einer Ratte ein Festmahl machen. Ulmer wollte gefragt sein, aber sobald er gefragt gewesen wäre, hätte er es satt gehabt.

Peter Bogdanovic: Ulmer hatte großen Einfluß auf die Independent-Filmszene.
John Landis: Jemand mit seinem Talent wird normalerweise ins Studiosystem integriert.

Ulmer: Ich habe für Max Reinhardt gearbeitet. Dann entwarf ich die Bühnenbilder für „Caligari“, den „Golem“, „Metropolis“. Später war ich auch an „M“ beteiligt. Dann war ich Bildregisseur für Murnau. Es gab einen Regisseur für die dramatische Handlung und einen für das Bild, der die Kamerawinkel und Kamerabewegungen festlegte. Mit Murnau habe ich das „production design“ erfunden. Wir haben herumexperimentiert und schließlich die Kamera auf einen Wagen montiert.

1923 kam Ulmer mit Reinhardt nach New York. Er sah Amerika als zweite Heimat, dennoch gab er Europa nie ganz auf.

Ulmer: Stroheim wollte mich bei „Merry Go Round“ als Art Director. Ich wurde Regieassistent bei Wyler, DeMille und der ganzen Truppe.

Er assistierte Murnau bei „Sunrise“, später bei „Tabu“, aber er kam zurück nach Berlin für „Menschen am Sonntag“.
Bogdanovic: Was war Ihr erster Film?
Ulmer: „Menschen am Sonntag“, den habe ich organisiert.
Bogdanovic: Sie haben ihn ausgestattet?
Ulmer: Nein, ich war Co-Regisseur und Produzent.
Alle Beteiligten erzählen, sie hätten den Film gemacht oder produziert. Er wurde jedenfalls nicht so industriell gedreht wie der deutsche Film zu dieser Zeit.

Joe Dante: Ich wurde auf Ulmer aufmerksam durch „The Black Cat“, ein subversiver Film. Allein die Andeutungen, was da vor sich geht, überstiegen das Fassungsvermögen der Zensur. Es ist einer seiner besten Filme.
„The Black Cat“ hatte 15 Drehtage und ein Budget von 91 000 Dollar. Das waren für Universal peanuts.
Bei der Uraufführung 1934 war Ulmer nicht dabei. Er war gefeuert worden. Shirley Alexander, die in die Familie Laemmles eingeheiratet hatte, verliebte sich in Ulmer und brannte mit ihm durch. Das hat sich auf seine weitere Karriere ausgewirkt.
Ulmer: Ich wollte nicht mehr für die großen Studios arbeiten, Ich wollte nicht in der Hollywood-Häckselmaschine aufgerieben werden.
Er wäre tatsächlich unglücklich geworden, als Mainstream-Regisseur zu arbeiten. Er fühlte sich wohl als Ausgestoßener.
Landis: Es gibt den Hollywood-Knast, wo du plötzlich von der Liste der in Betracht kommenden Regisseure gestrichen wirst, und du weißt nie genau, warum.

Sie gingen nach New York, und er begann mit den ethnischen Filmen, Filme über verschiedene Kulturen. Bis dahin war ihm nie bewußt, daß er selbst Jude war.
1941 geht Ulmer wieder nach Hollywood, um dort großer Studioregisseur zu werden. Er will bei Paramount ein Remake des „Blauen Engels“ drehen mit Veronica Lake. Das Projekt zerschlägt sich schnell.

Ulmer: Als ich für PRC arbeitete, das war eine tolle Zeit! PRC war meine Heimat. Ich konnte dort jede Idee sofort umsetzen. Niemand redete mir rein, und wenn, dann sagten sie: Wir haben kein Geld! Ich mußte Kompromisse machen, um PRC im Geschäft zu halten. Einerseits wollte ich Kassenerfolge, andererseits wollte ich einen ordentlichen Stil entwickeln. (zweiter Teil folgt)
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