Thema: Filmklassiker
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Alt 18.03.2023, 10:24   #1024  
Peter L. Opmann
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Ein Film von Steven Spielberg. Ich bin aber nicht deshalb ins Kino gegangen, sondern natürlich wegen Philip K. Dick. „Minority Report“ (2002) wurde nach einer gleichnamigen frühen Kurzgeschichte (1956) von Dick gedreht. Leider kenne ich diese Vorlage nicht – die Story gehört nicht zu denen, die häufig gedruckt werden. Daher kann ich nicht überprüfen, inwieweit sich der Film daran hält. Es war jedenfalls die dritte große Dick-Verfilmung nach „Blade Runner“ und „Total Recall“. Und noch immer scheint dieser Autor nicht aus der Mode gekommen zu sein.

Spielberg will sich offenbar nicht gern festlegen lassen. „Minority Report“ ist ein ganz anderer Film, als man es von ihm gewohnt ist. Es ist zwar über weite Strecken ein rasanter Thriller, aber er macht es dem Zuschauer nicht leicht, indem er ein ziemliches Verwirrspiel aufzieht. Ich würde sogar sagen, der Film ist trotz erheblichem Nervenkitzel etwas zu lang geraten. Die Grundidee besteht darin, daß im Jahr 2054 keine Morde mehr geschehen, weil drei speziell begabte Menschen, die Precogs, die abgeschirmt im Dämmerschlaf in einem Wasserbassin liegen, sie voraussehen und eine Spezialeinheit der Polizei, das Precrime Department, sie rechtzeitig verhindert (nachdem sie den Ort des Verbrechens herausgefunden hat, den die Precogs nicht genau erkennen können). Dieses Verfahren läuft seit sechs Jahren quasi im Testbetrieb, denn es ist umstritten, ob jemand, der einen Mord noch gar nicht begangen hat, verhaftet und aus dem Verkehr gezogen werden darf. Das wird so gehandhabt.

Tom Cruise ist Leiter der Precrime-Polizeieinheit. Seinem Können ist zu verdanken, daß bisher jeder Möchtegern-Mörder geschnappt werden konnte. Nun aber kommt von den Precogs die Information, daß er selbst einen Mord begehen wird, und zwar an einem Mann, den er gar nicht kennt. Cruise muß vor seinen eigenen Leuten fliehen, vor allem vor Colin Farrell, einem FBI-Beamten, der offenbar auf seinen Job scharf ist. Er findet heraus, daß die Precogs manchmal unterschiedliche Visionen haben und dann ein Minderheitenvotum (der Minority Report) abgegeben wird. Das wurde öffentlich nicht bekannt, um das Verfahren nicht zu diskreditieren. Cruise entführt den weiblichen Precog (Samantha Morton) in der Hoffnung, daß sie vielleicht etwas anderes gesehen hat als die beiden anderen. Die Hoffnung wird jedoch enttäuscht, als er ihr Gehirn scannt.

Cruise trifft schließlich mit Mike Binder, seinem Mordopfer, zusammen. Das läuft allerdings nicht wie geplant ab – Binder tötet sich selbst. Farrell, der zu spät an den Tatort kommt, schöpft Verdacht, daß alles arrangiert gewesen sein könnte. Der Chef von Precrime ist Max von Sydow (da ist irgendwie gleich klar, daß er der Bösewicht ist). Cruise hält ihn für einen väterlichen Freund, Sydow läßt ihn jedoch sofort verhaften, als er bei ihm auftaucht. Sein Interesse ist allein, daß das System stabil und erhalten bleibt. Zu diesem Zweck tötet er auch Farrell (die Precogs sind in diesem Moment nicht aktiv). Es stellt sich heraus, daß er eine Auseinandersetzung mit der Mutter von Samantha Morton hatte, die nicht wollte, daß ihre Tochter zu einem Precog wird. Darauf ertränkte er sie in einem See, auf eine Weise, daß dieser Mord (der natürlich wieder vorhergesehen wurde) nicht im Gehirn der Precogs gespeichert blieb. Was nebenbei zeigt, daß das Precog-System nicht zuverlässig ist. Als sich nun Cruise und Sydow gegenüberstehen, erschießt sich Sydow selbst. Damit ist das System endgültig gescheitert. Sydow hätte jedoch Cruise nicht töten können, denn da hätte nach der Logik des Systems Precrime rechtzeitig eingegriffen.

Man sieht, die Story ist reichlich kompliziert und um die Ecke gedacht. Ich vermute, Dick war an den Thriller-Elementen nicht interessiert, sondern nur an dem „Was-wäre-wenn“ von vorhergesehenen Morden und den Konsequenzen. Aber schon bei „Blade Runner“ war ein zweiter Drehbuchautor (David Peoples) im Spiel, um Spannung in die Story zu bringen. Da haben sich aber irritierende Denkmöglichkeiten mit der Action glücklich verbunden, was Spielberg in meinen Augen weniger gelingt. Trotzdem fand ich an dem Film einiges interessant: Es gibt einige „Blade Runner“-Zitate. Spielberg zeigt eine noch mehr von Werbung beherrschte Welt als dereinst Ridley Scott. Für die geheimnisvolle Sphäre der Precogs findet er eine bildlich überzeugende Lösung. Und er zeigt teilweise eine Zukunftswelt, wie man sie bisher noch nicht gesehen hatte: Zum Beispiel läßt sich Cruise mit einer Operation neue Augen einsetzen, weil in dieser Welt jeder anhand seiner Iris identifiziert wird. Und es gibt eine Autoverfolgungsjagd mit Straßen, die auch senkrecht Gebäude hinaufführen.

2003 wurde ein weiterer Dick-Stoff verfilmt, und zwar von John Woo: „Paycheck“. Ich denke, den Film sehe ich mir als nächstes an.
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