Thema: Filmklassiker
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Alt 06.02.2023, 06:20   #745  
Peter L. Opmann
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Der folgende Film ist wohl in diesem Thread der, den ich am frühesten gesehen habe: „Flucht ins 23. Jahrhundert“ (1976) von Michael Anderson. Entsprechend muß ich meiner Erinnerung am meisten auf die Sprünge helfen. Ich glaube, ich habe ihn um 1980 im Fernsehen gesehen, jedenfalls, bevor ich angefangen habe, gezielt zur kinohistorischen Orientierung Filme anzuschauen (und ich habe auch noch nicht richtig Science Fiction gelesen). Ich fand ihn toll, habe ihn aber danach – seltsamerweise – nicht noch einmal gesehen.

Es ist nicht so, daß ich mich an den Film überhaupt nicht mehr erinnere. Besonders zwei Dinge habe ich nicht vergessen: Es geht um eine Gesellschaft, in der es das Ritual der „Erneuerung“ gibt, der sich jeder Mensch mit 30 Jahren unterziehen muß. Tatsächlich werden alle umgebracht. Hintergrund ist das Problem der Überbevölkerung. Ich glaube, zu dieser Zeit dachte man noch, daß die Erdbevölkerung in allen Weltgegenden gleichermaßen ansteigt. Hier im Film wird das Thema zugespitzt durch die Annahme, daß sich die Menschheit nach der Zerstörung der natürlichen Umwelt in eine riesige Kuppelstadt ohne Kontakt zur Außenwelt zurückgezogen hat. Das Leben dort ist sehr angenehm, und alles wird von einem Super-Computer (wie man sich den halt 1976 vorstellte) gesteuert. Unter der Kuppel ist die Gefahr einer Überbevölkerung realistisch. Viele Bewohner glauben nicht so recht an die Erneuerung, sondern ahnen, daß sie in Wirklichkeit getötet werden. Meine zweite lebhafte Erinnerung an den Film ist der Auftritt eines alten Menschen außerhalb der Kuppel, der von den Geflüchteten wie ein Weltwunder angestaunt wird.

Die genaue Inhaltsangabe muß ich nun jedoch anderen Quellen entnehmen. Michael York ist ein „Sandmann“, ein Zukunftspolizist, der beauftragt wird, gegen die vorzugehen, die versuchen, in eine Zuflucht außerhalb der Kuppelstadt zu entkommen (vielleicht gibt es da eine Parallele zu „Blade Runner“). Er lernt Jenny Agutter kennen, die ihn in eine Gruppe solcher Rebellen einschleust, verliebt sich in sie und wechselt die Seiten. Allerdings wird er nun selbst von der Polizei gejagt. Außerdem gerät er in Konflikt mit manchen Fluchtwilligen, die ihm mißtrauen. Schließlich gelangen er und Agutter jedoch zu einer Höhle, in der es eine große Gefrieranlage gibt. Sie erkennen, daß alle, die bisher fliehen wollten, hier in Wirklichkeit eingefroren wurden. York überwindet jedoch auch diese Gefahr, und nun gelangen er und Agutter tatsächlich in die Welt außerhalb der Kuppel. Die ist keineswegs völlig lebensfeindlich, und sie begegnen nun dem alten Mann (Peter Ustinov), der im verfallenen Washington im Capitol lebt. Sie sind beeindruckt von seiner Lebenserfahrung und seiner Zufriedenheit (dies ist jedenfalls meine Erinnerung). Sie beschließen, mit Ustinov in die Stadt zurückzukehren, um zu beweisen, daß ein langes Leben möglich ist. York wird verhaftet und an den Supercomputer angeschlossen. Wegen seiner Aussagen brennt das Elektronenhirn durch – die Kuppelstadtbewohner sind frei.

„Logan’s Run“ (so der Originaltitel) entstand kurz vor „Krieg der Sterne“, und es wird gern eine Verbindungslinie zu ihm gezogen, etwa im „Lexikon des Science Fiction Films“ von Ronald M. Hahn und Volker Jansen. Er war fast so teuer (neun Millionen Dollar) und immerhin auch finanziell erfolgreich, wobei der Stoff damals nicht zur Serie ausgebaut wurde; es gab nur eine gleichnamige Fernsehserie, die aber relativ kurz lief. Ich glaube, die Geschichte war weitgehend auserzählt. Interessanterweise sind mir nicht die ziemlich aufwendigen Special Effects in Erinnerung geblieben, sondern Kernmotive der Story. Die Buchvorlage stammt von William F. Nolan und George Clayton Johnson; der Roman wurde sehr wohl zu einer dreiteiligen Reihe ausgebaut – habe ich allerdings auch nicht gelesen. Und Marvel hängte sich mit einer – freilich wiederum kurzlebigen – Comicserie an. Ich sehe in „Logan’s Run“ Ähnlichkeiten mit Philip K. Dick (von dem ich einiges gelesen habe), wobei sein typisches Motiv der brüchigen Identität („bin ich ich oder jemand anderer?“) fehlt. Aber der Überwachungsstaat, der allmählich hinter einem zunächst normal erscheinenden Alltag sichtbar wird, ist typisch Dick.
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