Thema: Filmklassiker
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Alt 10.11.2022, 06:12   #192  
Peter L. Opmann
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Ich habe bereits das Comic Labor erwähnt, wo es Videosessions gab. Ich war da nicht Vollmitglied, wenn man so will, aber ich war dabei, als das Comicmagazin „Menschenblut“ herausgegeben wurde, und habe auch die eigenen Filmprojekte der Laboristen verfolgt – in „Aufbruch der Blutcrew“ hatte ich sogar eine kleine Nebenrolle. Einen Film, den wir uns damals – es war wohl 1982 oder 83 – angesehen haben, will ich jetzt besprechen: „Das Ende“ oder auch „Anschlag bei Nacht“ (1976) von John Carpenter, heute bekannter unter seinem Original-Verleihtitel „Assault on Precinct 13“.

In der „Zeit“ hieß es: „Eine beängstigendere, faszinierendere Vision urbaner Gewalt hat es im gewiß nicht gerade gewaltlosen amerikanischen Kino der siebziger Jahre nicht gegeben.“ Ich glaube, da hat man den Film als sozialkritisch mißverstanden. Carpenter geht es nur um Action, allerdings perfekt gemacht wie bei seinem Vorbild Howard Hawks. „Assault“ ist stark angelehnt an den Hawks-Western „Rio Bravo“. Darum geht es: Der Polizeileutnant Ethan Bishop (Austin Stoker) erhält den Auftrag, ein Polizeirevier in Los Angeles zu beaufsichtigen, das geschlossen wird und nur noch von ein paar Bediensteten besetzt ist. Er ahnt nicht, daß es in diesem Viertel einen blutigen Jugendbanden-Krieg gibt. Gerade sind einige Mitglieder von der Polizei exekutiert worden. Die Überlebenden schwören Rache. An diesem Abend ist auch ein Gefangenentransport in der Gegend unterwegs. In dem Wagen sitzt unter anderem Napoleon Wilson (Darwin Joston), der auf dem Weg zu seiner Hinrichtung ist. Ein Gefangener scheint krank zu sein, daher steuert der Transport das Polizeirevier an, um ärztliche Hilfe zu bekommen.

Die Jugendgang kreuzt derweil ziellos durch die Straßen. Ein Mitglied nimmt vom Rücksitz aus nichtsahnende Passanten ins Visier seines Gewehrs. Die Gang beschließt, sich an einem Eisverkäufer abzureagieren, tötet ihn und auch ein kleines Mädchen, das gerade ein Eis kaufen will. Der Vater findet es, dreht durch und erschießt ein Gangmitglied. Dann flüchtet er in Panik in das Polizeirevier. Die Besatzung merkt, daß die Telefone tot sind. Die Polizisten, die den Gefangenentransport begleiten, verlassen das Haus, um nach dem Rechten zu sehen. Dabei werden sie erschossen, und zwar mit schallgedämpften Waffen. Erst allmählich wird klar, daß das Revier von der Jugendgang belagert wird, die die Telefonleitungen gekappt hat. Die Schützen bleiben in Deckung – in der Umgebung bekommt niemand etwas von der Gefahr mit, der die Menschen im Revier ausgesetzt sind. Bishop muß allein auf sich gestellt die Verteidigung organisieren. Nach einigem Zögern läßt er den Todeskandidaten Wilson aus seiner Zelle frei und gibt ihm ein Gewehr. Zunächst haben Polizisten, Gefangene, Zivilbedienstete und Besucher der Polizeistation dasselbe Ziel, nämlich zu überleben.

Es ist Nacht geworden. Bisher hat niemand im Viertel etwas von dem Angriff auf Precinct 13 bemerkt, und die Insassen haben keine Möglichkeit, Hilfe herbeizurufen. Angriffe der Gang können aber mit vereinten Kräften abgewehrt werden. Auch eine Sekretärin (Laurie Zimmer) erweist sich als sichere Schützin. Ein Gefangener wird ausgeknobelt, der heimlich das Haus verlassen und Hilfe holen soll, aber er wird von der Gang abgefangen und getötet. Die Angriffe gehen weiter. Die Verteidiger müssen sich in den Keller zurückziehen. Als die Gangmitglieder auch da eindringen, bringt Bishop einen Gasbehälter zur Explosion – der endgültige Befreiungsschlag. Wilson werden wieder Handschellen angelegt, aber in den Augen des Polizisten hat er sich rehabilitiert.

Ich glaube, dieser Film hat mich damals ziemlich verstört. Wie bei den New-Hollywood-Vertretern kippt jemand, den eine Kugel trifft, auch bei Carpenter nicht einfach um, sondern die Konsequenzen des Sterbens werden zumindest ansatzweise gezeigt. Carpenter interessiert sich auch dafür, wer im Polizeirevier sich in dieser Extremsituation bewährt und wer nicht. Abgesehen davon zielt er jedoch darauf ab, die Spannung, auch durch unappetitliche Darstellungen, so hoch wie möglich zu treiben. Das Budget von "Assault" betrug lediglich 100 000 Dollar. Bekannte Schauspieler hatte Carpenter nicht zur Verfügung. In USA wäre der Film daher trotz der geringen Produktionskosten beinahe fehlgeschlagen, aber er wurde dann in Frankreich und England entdeckt und in Europa ein relativ großer Erfolg, worauf er dann auch in USA beachtet wurde. „Assault“ und mehr noch Carpenters „Klapperschlange“ prägten dann auch den Stil des Comic Labors.

Wie ich sehe, ist Austin Stoker gerade vor etwa einem Monat gestorben.
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