Thema: Filmklassiker
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Alt 09.11.2022, 07:29   #191  
Peter L. Opmann
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Bekannter Regisseur, unbekannter Film. „Im Schatten der Nacht“ (1947) war das Debüt von Nicholas Ray. Verbunden ist sein Name heute mit dem Jugenddrama „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ mit James Dean. Obwohl die James-Dean-Figur als etwas völlig Neues erschien, ist sie teilweise in der Hauptfigur dieses Films bereits angelegt, die von Farley Granger gespielt wird. Ray läßt ein wenig auch das Bonnie-und-Clyde-Motiv anklingen. Mir gefällt an „Im Schatten der Nacht“ die Mischung aus relativ hartem Kriminalfilm und Melodram.

Drei Männer brechen aus dem Gefängnis aus. Zwei (Howard de Silva und Jay C. Flippen) sind Profiverbrecher, der dritte (Granger) ein junger Anfänger, der freilich wegen des schwersten Verbrechens, eines Mordes, eingebuchtet war. Die drei haben einen Farmer gezwungen, ihnen sein Auto zu überlassen. Sie fahren es zu Schrott und müssen den restlichen Weg zu einem Verwandten, wo sie sich verstecken wollen, zu Fuß gehen. Dabei wird deutlich, daß Granger am Fuß verletzt ist. Die Polizei ist ihnen aber offenbar noch nicht auf den Fersen. Granger wird von der Tochter des Mannes (Cathy O’Donnell) medizinisch versorgt. Weil beide mißverstandene Jugendliche sind, fühlen sie sich zueinander hingezogen.

Granger will seine Unschuld beweisen. Dafür braucht er juristische Hilfe und damit Geld. Noch einmal ein erfolgreicher Coup, dann wird er alles in Ordnung bringen, so denkt er. O‘Donnell warnt ihn, er gerate so nur immer mehr auf die schiefe Bahn, und bringt ihn dazu, gemeinsam mit ihr wegzulaufen. Unterwegs heiraten sie in einer Drive-in-Kirche – es ist ihnen aber sehr ernst. Granger läßt sich von ihr aber nicht bewegen, sich der Polizei zu stellen. Das Paar wird von de Silva und Flippen aufgespürt und Granger überredet, erneut bei einem Banküberfall mitzumachen. Das Unternehmen geht schief, Flippen wird bei dem Überfall erschossen, de Silva kurz darauf, während Granger mit heiler Haut davonkommt. Aber das ist für ihn nicht das Ende seiner Schwierigkeiten. Die Presse schreibt ihn zu einem Top-Gangster hoch, und damit steigt die Gefahr, daß er erkannt wird.

Nachdem das Paar mehrmals beinahe aufgeflogen ist, wendet sich Granger an eine weitere Verwandte von de Silva. Sie läßt die beiden in einem Ferienhäuschen wohnen. Dort wollen sie bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Aber da ihr Mann ebenfalls im Gefängnis sitzt, geht die Frau zur Polizei und verrät Granger, um ihren Gatten auf diese Weise freizubekommen. Noch scheint die Luft rein zu sein. O’Donnell hat Granger eben gestanden, daß sie schwanger ist, und er verspricht ihr, ein guter Ehemann und Vater zu sein. Inzwischen hat die Polizei aber das Häuschen umstellt, Als Granger das Haus verläßt, wird er niedergeschossen. O’Donnell findet bei der Leiche einen Brief, den er ihr kurz zuvor geschrieben hat, weil er sie nicht wecken wollte.

Robert Altman hat die Geschichte zur Zeit von New Hollywood noch einmal verfilmt, diesmal mit Keith Carradine und Shelley Duvall als jugendliches Paar. Er betont mehr die Armut, die Menschen zum Verbrechen treibt. Die Liebesbeziehung ist bei ihm nicht mehr so stark motiviert, Gefühle spielen keine große Rolle. Rays Film ist dagegen eine eigenartige Mischung aus Realismus und melodramatischen Elementen. Man kann sich besser mit den Hauptfiguren identifizieren, und mich hat die Ausweglosigkeit des Geschehens, das unweigerlich in eine sich deutlich abzeichnende Katastrophe steuert, sehr bewegt. Es ist kein typischer Debütfilm, sondern zeigt bereits Rays großes Können.

Geändert von Peter L. Opmann (09.11.2022 um 10:45 Uhr)
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